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KULTURPROGRAMM & MEHR

Schlimme Bühnenstorys

Candlelight mit Köter

Der Bratwurst-Gig der Donots, DJ Eavos verhängnisvoller Drink
& Luft-Geigen ohne Ende:
Hier kommen die schlimmsten Bühnenstorys

Erinnert ihr euch noch daran, wie der CSU-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber bei einem Wahlauftritt lässig auf die Bühne jumpen wollte - und sich vor laufenden Kameras voll auf die Fresse legte? Ging es euch auch schon mal so, dass der Liveauftritt eurer Band / eures Hip Hop-Projektes / als Poetry-Slammer voll die Hose ging und ihr euch total blamiert habt? Aber mal ehrlich: Diese Pech-Pannen erzählt ihr euch noch in Jahrzehnten, wenn die Gigs, bei denen alles glatt geklappt hat, längst vergessen sind. Darum haben die beiden Solounterhalter Johannes Floehr und Andre Lux gesammelte Live-Fiaskos in einem Buch veröffentlicht: Abendkasse - Eure schlimmsten Bühnenstorys. Wir entdeckten darin allerlei Münsteraner Bekannte und haben noch Ergänzungen draufgelegt.

Atemlos: 0,00 Euro Gage

Manche Geschichten in dem Buch sind etwas banal: Die Rockbands sind zu besoffen zum Spielen und bei den Slammern hört kein Mensch zu. Doch manche Künstler haben wirklich fieses Unglück: Zum Beispiel die Band, bei deren Stadtfest-Auftritt es regnet und kaum eine Handvoll Zuschauer mit Schirm auf dem Platz vor der Bühne steht. Gerade haben sie den letzten Ton gespielt und sind noch nicht von der Bühne runter, da legt der DJ „Atemlos“ von Helene Fischer auf und die Massen strömen auf den Platz und tanzen ausgelassen im Regen!

Schau mal an: Ingo Donot ist auch dabei und verrät das übelste Tourerlebnis der Donots. Die Geschichte spielt Ende der 90er im Havelland und ist eine Verkettung von „epic fails“:
1. Fünfzig km versehentlich mit angezogener Handbremse gefahren - Auto qualmt.
2. Catering: Ein halbes Brot und ein leeres Glas Marmelade für acht Bands.
3. Angeblich vollständig vorhandene Backline unvollständig und unbrauchbar.
4. Vegetarisches Abendessen = Marken für Bratwurst und Salami-Pizza.
5. Fünfzig Zuschauer statt der erwarteten 6.000 (auf einem Gelände für 6.000).
6. Veranstalter mit Kasse getürmt = 0,00 Euro Gage.
7. Statt versprochenem Hotel nur Scheune mit Feldbetten.
8. Sechs Stunden Heimfahrt.
Pffff... Gut, dass sich die Donots an dem Abend nicht aufgelöst haben.

Geil, wir sind gekündigt

Ach guck, noch'n Münsteraner: Unser DJ-Veteran Eavo berichtet von einem schrägen Missverständnis. Eavo im Club hinterm Pult: Veranstalter kommt und macht eine Geste, er legt Daumen und Zeigefinger zusammen. Eavo interpretiert: ,Mach' mal leiser' - und dimmt den Sound. Veranstalter zeigt wieder und wieder die Geste. Eavo macht noch leiser und leiser und leiser. Erneute Geste. Eavo empört: „Ich kann nicht noch leiser machen!“ Veranstalter: „Nee... ich meinte, ob Du'n Kurzen trinken willst?“

Münsters TV-Komikerin Lisa Feller erlebte eine ganz besondere Anmoderation bei einer Firmen-Gala: „Ich wartete hinter der Bühne, als der Chef der Belegschaft mitteilte, dass demnächst ein Drittel von ihnen entlassen würde. Und dann: ,Wir sagen aber jetzt noch nicht, wer betroffen ist, damit Sie den heutigen Abend noch genießen können. Und damit Sie auf andere Gedanken kommen und herzhaft lachen können - jetzt kommt Lisa Feller!'“ Es lachte niemand.

Mädels können alles

Umgekehrt erfuhr Münsters Poetry-Performer und Lebenskünstler Andy Strauss eine wohltuende Seelenmassage durch ein Veranstalterteam, was beweist, dass der „Durchführende“ vor Ort auch Kindergärtner, Psycho-Onkel und Kummerkasten ist. Strauss war in düsterster Depri-Stimmung angereist und bekam ein exklusives persönliches Candle-Light-Dinner mit einem treuherzigen und verständnisvollem Gesellschafter auf dem Platz gegenüber an seinem Tisch: Dem Hund der Veranstalter...

In Zeiten von Wokismus wird das alles natürlich noch schwieriger. Davon kann der Sänger von Planet Watson ein Lied singen: „Beim letzten Song forderte ich die Leute auf, mich beim Stagedive zu tragen.“ Unter den furchtlosen Freiwilligen war ein kleines zierliches Punk-Mädel. „Ich bat sie freundlich, doch lieber zur Seite zu gehen, um sie mit meinen 150 Kilo Körpergewicht nicht ins Jenseits zu befördern.“ Es gab keine Verletzten. „Doch nach der Show kamen die Veranstalter auf mich zu und beschimpften mich wütend als verdammten Sexisten, da mich zierliche Frauen schließlich genauso tragen könnten wie jeder andere auch.“ Klar.

Haste ma 'n Cello?

Doch nicht nur Rockbands haben Pech! Zwölf Cellisten der Berliner Philharmoniker vor dem Auftritt in einer Passauer Kirche: Einer stolpert auf dem Weg zur Bühne, fällt in sein Instrument - Totalschaden! Natürlich hat kein Cellist ein Ersatzcello dabei. Der Konzertleiter tritt vor das Publikum und erklärt, dass das Konzert ausfallen muss ... es sei denn, jemand hätte zufällig ein Cello parat (als Scherz). Jemand im Publikum steht auf und sagt: „Ja, ich! Sogar ein Gutes. Ich wohne nebenan - bin in fünf Minuten wieder da!“ Gott scheint auf Cello-Sound zu stehen.

Im Bett mit Mark

Poetry-Slammer haben es generell schlechter als Bands, denn sie stehen ganz alleine im Rampenlicht, wenn etwas schiefgeht. So wie Simon Pearce, der auf der Bühne Brechdurchfall bekam, sich auf die Toilette flüchtete, dabei das Funkmikrofon vergaß abzuschalten, sich nach geraumer Zeit wieder in den Saal schleppte - und das angekotzte Publikum noch anwesend war.

Oder Paul Bokowski: ,,Nach dem vierten Text ruft eine Frau aus dem hinteren Drittel: „Lesen Sie den Brottext!“ Ich: „Welchen Brottext?“ - „Na, den mit dem Brot von gestern!“ - „Der ist nicht von mir.“ - „Doch!“ - „Nein! Der ist von Horst Evers.“ - „Egal! Ich hab' sein Buch dabei!“ Grrr...

Sogar bei wissenschaftlichen Vorträgen lauert der Tücken-Teufel: Der beliebte Kriminalbiologe Mark Benecke hielt einen Power-Point-Vortrag vor großem Publikum auf einer XXL-Leinwand. Plötzlich zeigt die Foto-App private Erotikpics seiner Frau. Schluck! Aber Benecke reagiert blitzschnell: „Ich habe - hoffentlich! - die App so schnell geschlossen, dass die Bilder bestenfalls ins Unterbewusstsein der Zuschauer drangen.“

Unter Starkstrom

Wir kennen auch noch ein paar legendäre Fail-Geschichten, etwa die der Münsteraner Rockband The Slam, deren Bassist sich während der Show das Knie brach, aber das Set schmerzverzerrt am Boden liegend zuende spielte. Oder die von Münsters unvergessenem Tragik-Helden Roger Trash, der im alten Eule-Club an der Königsstraße einen gewaltigen Stromschlag bekam, als er das Mikrofon mit den Lippen berührte und dadurch auch noch der Saft im Laden ausfiel. Oder das Münsteraner Indie-Duo, das auf ein bayerisches Bikerfestival gebucht war. Rocker-Präsi: „Geh, spuilt's auch a Rolling Stones?“ Band: „Nee, so'n Zeug spiel'n wa nicht.“ Präsi (langsam und böse): „Doch! Ihr spuilt's a Rolling Stones, klar?!“ Band: (Schluck!) „Äh, Ok.“

Einfach... durchhalten!

Wenn euch auch solche Missgeschicke passieren, steht sie durch und behaltet eine steife Oberlippe. Das sagt euch Ella Carina Werner, die von einer Folkband spontan zu einem Luft-Geigensolo auf die Bühne gebeten wurde. Beherzt und mutig machte sie mit - aber die Musiker zogen das Solo fünf unendliche Minuten in die Länge! Doch Ella hielt tapfer durch, denn: „Aufgeben und reumütig von der Bühne kriechen, bedeutet in meiner Heimat Westfalen den sozialen Tod!“

Der Erlös des Buches geht netterweise an notleidende Licht- und Tontechniker, die durch Corona arbeitslos gemacht wurden.

Carsten Krystofiak, Illustration: Marc Blinn

Johannes Floehr & Andre Lux (Hrsg.): „Abendkasse“. Lektora Verlag, 2. Auflage 2022, 245 Seiten mit vielen Abb., 19,80 Euro

(aus Ultimo Münster 3-4/2022)