WELUNTERGANG

Die letzte Vorstellung

Ende des Jahres ist alles aus. Die ersten Rabattaktionen zum Welt-Schlussverkauf sind schon in Planung, aber erst müssen noch ein paar Bücher weg gelesen werden, die uns fit für die Apokalypse machen.

Gleich das erste enthält alles, was man über den aktuellen Untergangsgrund wissen muss: Hugo Stamm, Sektenforscher aus Zürich schrieb schnell seinen Endzeit-Klassiker "Im Bann der Apokalypse" von 1996 zum modernen Anlass um und erklärt in Im Bann des Maya-Kalenders. Endzeithysterie in Sekten und Esoterik genau das. Dabei wird der ominöse Maya-Kalender (der am 21.12.2012 enden soll, oder am 23.12. oder 200 Jahre später oder auch gar nicht) relativ knapp behandelt. Wie genau die alten Maya mit 20 verschiedenen Wochentagen und 18 Monaten im Jahr genau hantierten, ist ohnehin unklar. Selbst Fachleute streiten noch, wie genau Schaltjahre auf Maya funktionieren, und warum die Welt scheinbar an einem Mittwoch angefangen hat. Unstrittig ist bloß, dass sie ein "langes Jahr" hatten, das etwa 5125 unserer Jahre umfasst, und dass sich ihr "31. Dezember" über den Daumen auf unseren 21.12.2012 umrechnen lässt. Von Katastrophen oder gar Weltuntergängen orakeln die alten Maya nichts.

Der spannendste Teil von Stamms Anekdoten-Sammlung beschäftigt sich mit den vielen Aufhupfern aus Brauchtum, Esoterik und Trallala-Branche, die mit wilden Internet-Gerüchten, schlechter Mathematik und reisenden Schamanen den Kalender-Trend als Marketing-Mittel zur eigenen Weltverbesserung nutzen. So löst sich Stamm auch bald ganz vom Ablaufdatum und geißelt das "religiöse Businessmodell Endzeit", dass sicher schon zu Silvester ein neues Stolpersteinchen für die Erde auf den Markt bringen wird. Vielleicht das Higgs-Boson?

Ganz genau anders herum argumentiert Gregor Taxacher in Apokalypse ist jetzt. Vom Schweigen der Theologie im Angesicht der Endzeit. Für ihn ist die Welt schon so gut wie kaputt gegangen. Bei seiner Mängelliste kommt er ganz ohne Kometen und Mythen aus, sein kurzer Rundblick über die Schäden, die der Mensch dem Planeten zugefügt hat, endet in der Überzeugung, unser Leben sei nicht mehr zu retten. Und die Theologie solle endlich mal was dazu sagen. Erst das Eingeständnis, schon in der Apokalypse zu stecken, mache dann Mut, auf ganz neue Auswege zu kommen. Das muss man nicht glauben, um die ersten drei Kapitel als handliches Schwarzbuch der selbstgemachten Weltzerstörung zu nutzen.

Wieder etwas mehr Hoffnung macht uns Franz M. Wuketits. In Die Boten der Nemesis. Katastrophen und die Lust auf Weltuntergänge überprüft er Weltuntergangsprognosen der Vergangenheit (alle offensichtlich falsch) und unsere offenbar unbändige Lust, nach jeder Pleite gleich auf den nächsten Pech-Propheten hereinzufallen. Er schimpft nicht so sehr auf Katastrophentheoretiker, die uns mit Angstanlässen versorgen, sondern untersucht unsere psychologischen und kulturellen Beweggründe, mit dem Schlimmsten zu rechnen. Es scheint ein evolutionärer Vorteil zu sein, bei jedem Regen mit der Sintflut zu rechnen.

Es könnte aber auch schierer Unverstand sein. Walter Krämer, Deutschlands frechster Statistiker, kümmert sich in Die Angst der Woche. Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten mit gewohntem Elan um die DDT-Lüge, den Asbest-Schwindel und andere Vorfälle schlechter Risikoabwägung. Krämer macht plausibel, dass das Verbot des Umweltgiftes DDT zu mehr Todesfällen durch die jetzt unbekämpfte Malaria führte als das Pflanzenschutzmittel durch Missbrauch je hätte anrichten können. Er findet die medialen Aufreger von BSE bis PCP oder Krebs durch Kernkraft fahrlässig aufgebauscht und hält jeder menschengemachten Gefahr nackte Zahlen entgegen. Mengenmäßig sind 99% aller Gifte in Nahrungsmitteln natürlichen Ursprungs, hohe Krebssterblichkeit bedeutet, dass mehr Leute wegen Chemie und Medizin viel älter werden, und nachweislich sterben mehr Menschen an fettem Essen als am Rauchen. Die Panikmaschinerie aber kümmert sich um künstliche Gifte nahe der Nachweisgrenze, verbrennt Unmengen Geld bei dem Versuch, minimale Risiken auszuschließen, und lässt echte Risiken unberücksichtigt. Teils ist das Schuld der Verbraucher, die lieber Angst vor unsichtbaren Keimen haben, als die grünen Stellen aus der Kartoffel zu schneiden, und lieber freiwillig mit dem Auto vor den Baum fahren, als unfreiwillig mit dem Flugzeug abstürzen. Teils liegt es aber auch am biologischen Erbe, weil korrekte Risikoeinschätzungen evolutionär zu lange dauern. Wenn es im Gras raschelt, läuft man los, noch bevor der Säbelzahntiger sich als Kaninchen herausstellt.

Wing
Hugo Stamm; Im Bann des Maya-Kalenders. Endzeithysterie in Sekten und Esoterik. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012, 270 S., 19,99 / Gregor Taxacher: Apokalypse ist jetzt. Vom Schweigen der Theologie im Angesicht der Endzeit Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012, 224 S., 19,99 / Franz M. Wuketits: Die Boten der Nemesis. Katastrophen und die Lust auf Weltuntergänge Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2012, 253 S., 19,99 / Walter Krämer: Die Angst der Woche. Warum wir uns vor den falschen Dingen fürchten. Piper, München 2011, 286 S., 19,99. Erscheint am 10.12.2012 als Taschenbuch, 9,99