SCIENCE FICTION Die Bedeutung des Augenblicks Jochen Schimmang erzählt von einer Übergangszeit Deutschland im Winter 2029. Das Land steht nach neun Jahren Militärdiktatur und vier Jahren Übergangsregierung unter englischer Führung kurz vor der Unabhängigkeit. Auf dem ehemaligen Regierungsgelände in der Hauptstadt hat sich eine bunte Schar aus Anarchisten, Intellektuellen, Künstlern und Handwerkern angesiedelt, verbunden durch ihren Widerstand gegen die Militärjunta. Ulrich Anders, die Hauptfigur und eigentlich Feinkostkaufmann, folgt dem Ruf seines Studienfreundes Sander dorthin. Er soll ihm beim Aufbau einer öffentlichen Bibliothek helfen. Fortan ist Anders mit dem beschäftigt, was Bibliothekare so tun. Er wird außerdem bald Teil der Gemeinschaft, verliebt sich in die IT-Spezialistin Eleanor Rigby und verfolgt von Ferne das letzte Aufbäumen der Junta. Neue Mitte erinnert irgendwie an den von Gerhard Schröder eingeführten und auch von Kanzlerin Merkel benutzten, diffusen Begriff. Doch damit hat der Zukunftsroman zum Glück nicht viel tun. Die Handlung wirkt zunächst etwas unentschlossen und plätschert ein wenig dahin: Bibliothek, Beziehung, Familiengeschichte, ein Putschversuch letzter Juntamitglieder. Von denen erfährt man nur durch Berichte. So ist das eben, wenn Geschichte stattfindet und man sich am Rand und nicht mittendrin befindet. Im Grunde erzählt Schimmang aber von der Freiheit in einer Übergangszeit, bevor sich wieder alles verfestigt, und von der Bedeutung des Augenblicks, dessen Vergänglichkeit ja einen großen Teil seiner Einmaligkeit ausmacht, wie der Dichter sagt. Schimmang erzählt davon in melancholisch ironischem Ton und sehr anspielungsreich, so wie man es von seinem Roman Das Beste, was wir hatten kennt, der hier in gewisser Weise seine Fortsetzung findet. Olaf Kieser
Jochen Schimmang: Neue Mitte Edition Nautilus, Hamburg 2011, 255 S., 19,90
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