KABARETT & COMEDY

Back to Life

Von Stotter-Meistern und Blödel-Barden

Michael Mittermeiers neues Programm Back To Live ist längst nicht so gut wie Zapped, sein vorheriges. Aber er hat inzwischen sein Publikum so weit im Griff, dass er gut 150 Minuten auf der Bühne durchhält - und niemand merkt, dass ihm eigentlich nach 15 Minuten die guten Texte ausgegangen sind. Schön zu sehen ist das auf der Doppel-DVD Michael Mittermeier - Back To Live, die im März live im Berliner "Tempodrom" aufgezeichnet wurde. Mittermeiers Tempo, sein Rhythmus, eine Nummer aufzubauen sind meistens gut. Wenn's mal nicht so läuft, dehnt er eine Pantomime so lange, bis eben doch der Applaus kommt. Und, verwunderlich, der Komiker und Blödelmeister gibt eine sehr ernste, politisch pointierte Zugabe.
Einerseits ist Mittermeier enorm geschäftstüchtig: nach CD und Soundtrack und TV-Ausstrahlung präsentiert er sein Programm jetzt auf DVD. Andererseits kriegt man auch was geboten fürs Geld: Auf einer Zusatz-DVD sind Video-Clips (mit den Guano Apes, Sascha, Xavier Naidoo), diverse Making Of's, Talkshow-Auftritte, sein Live-Auftritt in "Rock am Ring", die DVD ist hervorragend gestaltet und nett animiert (selbst zwischen die Menüs quasselt Mittermeier herein), und seine Frau darf sich sehr charmant beschweren, dass durch das Programm jetzt ganz Deutschland ihr Sexualleben kenne.
Dem Komiker Dieter Nuhr muß man dankbar sein, dass sein neues Programm nicht "Nuhr am nörgeln", "Nuhr weiter so" oder "Nuhr nach vorn" heißt (so hießen seine vorherigen). www.nuhr.de/2 ist der eher karge Titel seiner CD, die zwischen den Live-Aufnahmen (vom Januar 2002) ein bißchen lehrerhafte, im Studio produzierte "Übergänge" enthält. Das mag bedeuten, dass sein Programm ein bißchen auseinanderfällt, andererseits sind gerade Nuhrs Überleitungen derart mit dem Brecheisen gestemmt, dass es eigentlich wurscht sein kann, ob da was paßt oder nicht. Nuhr, der immer noch vorwiegend auf seine leise, tiefe Stimme setzt (und dabei eigentlich ein schlechter Sprecher ist), witzelt sich in gewohnter Manier durch Alltag, Geschichte und Sexualleben. Manche Pointe ist nett, die meisten hat man erwartet. Naja, ein Komiker, der für ein Drittel seiner Nummern entweder auf "die Freundin" (mit ihren 300 Paar Schuhen) oder seine etwas tüddelige Mutter zurückgreifen muß, die nicht weiß, wie man ein Handy bedient - der hat seine größten Einfälle wohl hinter sich.
Ein Stückchen Kabarett-Geschichte ist bereits im Frühjahr bei Langen Müller erschienen: Werner Finck: Alter Narr - was nun?, ein Live-Mitschnitt seines TV-Auftrittes bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft 1972, der keinesfalls eine Lesung des gleichnamigen Buches darstellt (wie der CD-Text suggeriert), sondern ein freies und freches Konglomerat aus Fincks Erinnerungen darstellt mit auch aktuellen Nummern. Wer hören will, wo Dieter Hildebrandt das Kunst-Stottern gelernt hat, der lausche dem Meister.
Jenseits aller Schmerzgrenzen laviert Kai Magnus Sting, eine kurzatmige Mischung aus Hanns Dieter Hüsch und Erwin Grosche. Der Mann will witzig sein durch Stakkato-Sätze, kann aber leider nicht sprechen, weder Atemtechnik noch Stimme tragen das, weshalb da ein atemlos stotternder Mann mit ßeichtem S-Fehler und verschluckten Endsilben steht, dem ständig die Stimme nach oben kippt - weshalb es auch keine Rolle spielt, dass sein Programm Das Feinste vom Leben überhastet, unoriginell und schlecht durchgearbeitet ist. Manche seiner Gag-Ideen findet man auch bei Nuhr; da kann man hören, wie man's besser macht.
Ulrich Roski war in den 70er und 80ern das, was man damals einen Blödel-Barden nannte, obwohl das Klavier das Instrument seiner Wahl war. Mit "Des Pudels Kern" und "Der kleine Mann" hatte er zwei hit-nahe Titel, ansonsten blieb er mehr im Schatten der Generation von Schobert & Black, Hannes Wader oder den Insterburgern. Er machte Reime wie "Mama war Portugiesin / und mein Daddy war aus Rom / sie war beinah eine Riesin / er dagegen mehr ein Gnom. / Sie nahmen es genau mit ihrer ehelichen Pflicht / Mama hat es überstanden, nur der Daddy leider nicht". Nun ja. Jetzt treibt es Herrn Roski wieder auf die Bühne, also bringt er sich passend in Erinnerung mit einer Biografie In vollen Zügen. Die steht ein bißchen unter Witz-Zwang ("Es war ein unverfrorener Winter"), hat aber nette Szenen, von der Kindheit im Nachkriegsberlin bis zu den Essener Songtagen. Angenehm ist, wie gleichwertig Roski privates und seine Karriere sieht. Politik kommt bei ihm kaum vor. Dafür erzählt er, wie er mal sturzbesoffen vor die Berliner Mauer gefahren ist. Auch ne Tat.
Victor Lachner
Michael Mittermeier: Back to Life live aus dem Tempodrom, Berlin. Mörder Bonus DVD. 2 DVDs, 150 + 173 Min. Sony
Dieter Nuhr: www.nuhr.de/2 live aus dem Theater Die Wühlmäuse, Januar 2002 + Studio. Polygram/WortArt
Werner Finck: Alter Narr - Was nun? Live Mitschnitt (zusammen 47 Minuten) Langen Müller Audio Books in der F.A. Herbig Verlagsbuchhandlung, München 2002 ISBN: 3784440088
Kai Magnus Sting: Das Feinste vom Leben. Geschichten fast so grausam wie das Leben selbst Live am 21.10. im HundertMeister, Duisburg. Indigo/ Eichborn, Roof Music ISBN: 3936186030
Ulrich Roski: In vollen Zügen. Vom Leben auf Rädern Eichborn, Frankfurt 2002, 302 S., 19,90 EU ISBN: 382183921X