JUST WORDS

ALTE CLOWNS

Wort-Witz, Lakonie und Kalauer: von Christian Brückner bis Werner Schneyder

Kabarett auf CD - das muß live sein. Aber es hat etwas irritierendes, wenn man einer absoluten Nulpe, einer Talent-Nullnummer wie Matthias Brodowy zuhören muß - und man hört im Hintergrund Leute lachen! Irgend jemand muß dieses bläßliche Gebrabbel über Geschichte, "Jahrgang Golf" und "mein Theologie-Studium in Hannover" witzig finden. Irgend jemand bringt ganz offensichtlich die Kraft auf, nach Brodowys grauenvollen Liedern (Klavierspielen, Singen, Texten, Sprechen - er macht alles, und er macht alles fürchterlich schlecht) auch noch zu Klatschen!
Noch so ein Selbstbespiegeler: Jess Jochimsen. Wie Brodowy besteht sein ganzes Kabarett nur aus "Ich": meine Schule, meine Kindheit, mein Opa, meine große Liebe. Auch hier wird im Hintergrund gekichert, aber Jochimsen kann wenigstens halbwegs gescheit seine Nummern aufbauen, auch wenn's mit der Schlußpointe immer hapert. Erstaunlich auch, dass er, wie Brodowy und wie jener auch in den frühen 70ern geboren, unnötige sachliche Fehler macht: Browody führt uns Brutus als "Cäsars Sohn" vor (was muß der in Latein und Geschichte gepennt haben!), während Jochimsen erzählt, eine bestimmte Erinnerung habe sich ihm "ins Stammhirn gebrannt" (Biologie kann er auch nicht) und meint, der beste Film von Sophie Marceau (jaja, auf dem Niveau bewegen wir uns - "La Boum"-Charme schwült durch den Saal) hieße "Meine Nächte sind besser als deine Tage". So sind die 70er-Bubis: schwer selbstfixiert, und wenn sie was über die Wirklichkeit erzählen, ist's meistens falsch. Aber irgend jemand lacht. Ich habe es gehört.

LAID BACK

Die lakonischste Literatur, die je geschrieben wurde, war wohl die der Beatniks: Jack Keruac, Gary Snyder, Frank O'Hara, Alan Ginsberg. Und wer könnte den coolen Jungs besser seine Stimme leihen als Christian Brückner, die deutsche De Niro-Stimme? Brückner Beat ist eine mitgeschnittene Lesung diverser Beat- Texte. Und obwohl die "Lyrik plus Musik"-Masche eigentlich immer in die Hose geht, hat sich Brückners Sohn Kai mit dem Lone World Trio an die musikalische Begleitung der Texte gewagt. Und so gut habe ist das selten zu hören: leise, einfühlsam, cool, weder "untermalend" noch "illustrierend", sondern schlichtweg begleitend greifen Baß, Gitarre und Saxophon Brückners Vortrag unter die Arme. Brückner liest gewohnt laid back, unaufgeregt - "Ich wußte gar nicht, dass North Dakota so viel Sonne hat!" - man glaubt ihm jedes Wort. Und dazu blubbert leise ein Baß, eine sanft gezupfte E-Gitarre ... schön.

VERSÖHNLICH

Wenn politisches Kabarett noch stattfindet, dann als deprimierende Kalauersammlung. Der beste auf diesem Gebiet ist Matthias Beltz, sein letztes Programm Eigenes Konto - Wenn alles sich rechnet und niemand bezahlt liegt jetzt auch als CD vor. Beltz ist ein Endlosplauderer, dessen Programm nur aus einer Nummer zu bestehen scheint, was auch daran liegt, dass er kein Ende findet: kein Text mündet bei ihm in die beifallerzwingenden Pointe, es plätschert alles in gemütlichem Hessisch vor sich hin. "Was ist der Mensch, wo kommt er her? - und warum ist er da nicht geblieben?" - das ist die Frankfurter Variante von Woody Allen, der diese Technik vor allem in den 70ern und 80ern benutzt hat. "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es - das ist mir persönlich zu viel Arbeit" - doch, das ist komisch und meistens böse. Aber bevor man ihm was übel nehmen könnte, lacht er sein trockenes hessisches Lachen.
Dass Dieter Hildebrandt und Werner Schneyder die Neil Simon-Komödie Sunny Boys spielen, ist doppelt komisch. Sie handelt von zwei Komikern, die einst ein Duo waren und sich zerstritten haben. Hildebrandt und Schneyder hatten sich zerstritten und haben das Stück ziemlich für sich und das Kabarett umgeschrieben. Und jetzt giften sich zwei alte Kabarettisten, verkleidet als Schauspieler, die zwei Kabarettisten spielen, auf der Bühne an (Hildebrandt über Schneyder: Wenn es ein Aphorismen-Museum gäbe, würde er dort ausgestopft ausgestellt), dass es nur so raucht. Vom Stück ist nur das grobe Gerüst übrig, den Rest hat Jörg Hube (auch ein Schauspieler-Kabarettist) für die beiden alten Herren uminszeniert. Die sich inzwischen wieder versöhnt haben. Im wirklichen Leben. Weshalb sie sich auf der Bühne ganz wundervoll streiten. Zur Gaudi des Publikums. Und eigentlich haben sie in ihren Programmen nie etwas anderes getan.

Victor Lachner
Matthias Brodowy: In Stücken Live aufgenommen am 24. + 25.11. 2000 im Pantheon, Bonn. WortArt/Lübbe Audio Jess Jochimsen: Das Dosenmilchtrauma. Live aufgenommen am 28. + 29.12. 2000 im Vorderhaus, Freiburg. WortArt/Lübbe Audio Matthias Beltz: Eigenes Konto. Live aufgenommen in der Comedia, Köln, November 2000. WortArt/Lübbe Audio Christian Brückner/Lone World Trio: Brückner Beat. Hazelwood Music/EFA. Dieter Hildebrandt, Werner Schneyder: Sunny Boys Aufgezeichnet im Theater am Kurfürstendamm, Berlin, am 4. + 5.1. 2001. Preiser Records/Naxos