GERNHARDT

Witzig

Robert G. erzählt vom Scherzen

Wer hat hinter dem "Titanic"-Humorkritiker Hans Mentz noch nicht Robert Gernhardt, wer auf dem Kolumnen-Foto noch nicht Theodor Wiesengrund Adorno (mit anmontiertem Bart) erkannt? Und wer hat sich angesichts so diverser Humor-Produkte wie sagen wir mal Tomeyers Deutscher Gespräche, Bäckerblumes Schmunzelseite, F.K. Wächters Stiller Blätter oder Gernhardts eigener Satiren nicht auch schon mal die bange Frage gestellt, die hier den Titel abgibt: "Was gibt's denn da zu lachen?"? Ja, wer eigentlich? Daß Komik kritisierbar sei, über das behende "bissig, mit spitzer Zunge, entlarvend, herzerfrischend" des geneigten Lokaljournalisten hinaus, das glaubt im ernst ja eh kaum einer. Also arbeitet Gernhardt ziemlich allein vor sich hin, muß den ganzen Scherz-Schrumms des Landes plus ausgewählter Fremdregionen sichten und sortieren, und sich sogar die Theorie dazu noch selber machen.
Hier liegen denn die Früchte einer ca. 10jährigen Wörter, Bilder und Lachen-Forschung vor uns, chronologisch geordnet, zu etwa zwei Dritteln aus der Titanic bekannt und zur Aufklärung des rätselhaften Abgrundes zwischen Alberei und Absurdität, Zote und zündendem Einfall allemal besser geeignet als etwa Sigmund Freuds "Der Witz und seine Beziehung zum Unbewußten". Komplett mit Widerlegung der Kritiker und Theorieteil, ausgreifend auf Film und Buch, Cartoon und Karikatur, und alles in dieser vollendet zwischen Seminar und Straßencafe dahintaumelnden Sprache (nur alliterieren könnte Gernhardt gerne noch häufiger), die sich jederzeit ihres Gegenstandes, ihres Standpunktes und Blickwinkels so sehr bewußt ist, daß man ihrem Schreiber gar nicht übelnehmen mag, daß er Brösel lobt und Otto auf den Gag hilft. Häufig nämlich sind Gernhardts Kritiken komischer als seine Objekte, häufig aber auch seine Gedanken über Minderheitenwitze oder wider Herrn Hüsch ernster als der Anlaß. Und nie läßt er sich, wie der Rezensent zuweilen, vom eigenen Schwung aus der Kurve tragen, auch wenn es so aussehen mag.
Weniger kompliziert und vertrackt, geradliniger komisch sind Gernhardts Satiren. Die liegen, von 1962 bis 1984 gesammelt, jetzt in 2 Taschenbüchern vor und werden jedenfalls mich noch und noch erfreuen, wenn hier schon wieder was ganz anders gelobt werden wird. Damit es aber nicht gar so einfach mit dem Lachen wird, hat Gernhardt eine Nicht-Satire hinten angehängt, die erklären soll, warum er nicht gern Satiriker sei und sich ungern als solcher bezeichnet sehe. Da steht sehr schön schon alles drin, was ich nicht für und gegen Gernhardt sagen kann und mag. Also ergeht das Gebot: lesen statt loben, und so will ich es halten, knappe 1000 Seiten lang.
WING
Robert Gernhardt: Was gibt's denn da zu lachen? Kritik der Komiker, Kritik der Kritiker, Kritik der Komik. Zürich: Haffmans 1988, 488 S.
Robert Gernhardt: Letzte Ölung. Ausgesuchte Satiren. Wie es anfing. Wie es weiterging 2 Bände. Zürich: Haffmans 1988, 239/220 S., je 15.- DM