FILM

Besser Sehen

Diverse Hilfsmittel für den Kino-Besuch

Einer untersucht die Filme (Fischer), einer schreibt seinen gewohnt in wilder Assoziation versinkenden Text, in dem uns Groucho und Karl Marx erklären, was es mit Tarantino-Land aufsich hat (Seeßlen), und auf die gewohnt bedächtige Weise nähert sich der FR-Journalist (und langjährige ULTIMO-Autor) Peter Körte dem Gesamt-Phänomen. Und wählt als Ansatz - wie passend - die Internet-Seiten der Tarantinomania: Das kultische Fan-Gehabe, in dem Tarantino Gott ist und seine Werke endlos auszudeutende Botschaften darstellen, scheint Körte symptomatisch zu sein. Der Text ertrinkt im Subtext, der Hyperlink ist die Message. Bei der Bewertung und Ausdeutung des Tarantino-Phänomens beschränkt sich Körte weitgehend auf die Rezeptionsgeschichte; wobei er vor allem in Europa bemängelt, die Kritik habe Tarantino immer wieder seine Lust an der Gewalt vorgehalten, was, so Körte, kein inhaltlicher, sondern ein ästhetischer Einwand sei. Wieso Fragen der Ästhetik allerdings keine Fragen des Inhalts sein sollen, erklärt er uns vielleicht mal in einem anderen Aufsatz. Bei der Bedeutung Tarantinos will Körte sich nicht so festlegen, er gesteht Pulp Fiction nicht, wie andere Kritiker es tun, den Status von Citizen Kane zu, aber mit Godards Außer Atem will er ihn schon vergleichen: Ein Film, der alle Mittel neu mischt und die Ästhetik der Zeit zu einer griffigen Formel zusammenfaßt. Im Gesamtblick vermittelt das Buch eher Ratlosigkeit: Was zum Teufel ist dran an dem Kerl, der bislang erst zwei Filme gedreht und das Kino doch nachhaltiger verändert hat als meinetwegen David Lynch, dem zuletzt vor ihm gefeierten Innovator? Alle drei Autoren einigen sich irgendwie auf den Satz: Tarantino ist nicht Kino, sondern Rock'n'Roll. Nun ja. Aber erklärt das was? Und die Legende, Tarantino habe sein fulminantes Filmwissen in den Jahren als Mitarbeiter einer Videothek erworben, möchte man doch mindestens einmal ins kritische Licht stellen: seit wann gelten Videotheken als Bildungsorte?
Wer einen Überlick über den Stand des Ultimo-Filmarchives haben will, der gucke hier mal rein; fast alle Fotos in dem von Verena Mund zusammengestellten Pocket-Book kommen von uns. Aber auch sonst bietet das Ding die gewohnt gute Mischung aus Terminübersichten, Aufsätzen (sehr schön diesmal: wie die Tonspur zu King Kong entstand) selten gesehenen Fotos und eben, na ja: Taschenkalender, mit je einer Woche zum Wasreinschreiben pro Doppelseite.
Er nun wieder. Dem der Autor schon in Zeile 7 "erstaunliche kreative Ergüsse" nachsagt. So stilschwach verplaudert geht das lange weiter, bis Uwe Nagel endlich auf Hölsken und Stöksken kommt. Jede Minute, jede Szene, jeder Schnitt von Reservoir Dogs und Pulp Fiction werden penibel nacherzählt, in Verbindung gesetzt und als genial gelesen. Dabei spreizt sich Nagel, der als Drehbuchlektor jobbt, mit entlegenen Begriffen der Erzähltheorie - und plustert z.B. den Anfang beider Filme in einem Coffe Shop auf zum "magischen Uterus aller Tarantino-Narrationen" auf. Was man nur sagen kann, wenn man Tarantinos Drehbücher für andere (den Coffee Shop in Natural Born Killers etwa hat Oliver Stone an den Anfang gesetzt) und Episoden-Regien nach fremden Büchern (Emergency Room und Four Rooms) wegläßt. So konstruiert sich ein berliner Hobby-Gelehrter durch Anstarren und Weggucken einen intelligenten Virtuosen amerikanischer Kommunikations-Orte und -Arten zurecht. Tarantino wird zum postmoderner Aristoteles, das Storyline-Strick-Musterbuch erschlägt die Rock'n'Roll-Attitüde. Das stimmt zwar nicht, aber dafür macht es auch gar keinen Spaß, so davon zu lesen. Außerdem sind die Abbildungen alle unscharf.
WING
Robert Fischer / Peter Körte / Georg Seeßlen: Quentin Tarantino Bertz, Berlin 1997, 253 S.
Film Kalender 1998 Schüren, Marburg 1997, ca. 200 S., 12,80 DM
Uwe Nagel: Der rote Faden aus Blut - Erzählstrukturen bei Quentin Tarantino Schüren, Marburg 1997, 160 S., 29.80 DM