HÖR-BUCH

Das Ohr am Boden

Stanislaw Lems »Mondnacht« ist wieder da

Nein, der Kalauer-Konverter hat unrecht. Mitnichten ist das jüngst erneut wiederbelebte Medium "Hör-Buch" so am Boden, daß es zu 20 Jahre alten Radio-Spielen greifen muß. Noch ist andersherum die vom Vorläufer Cottas Hörbühne übernommene Prokduktfarbe "klassisches Science Fiction-Stück" bloß der Bodensatz im Programm des neuen HörVerlags. Vielmehr hatte Stanislaw Lem, gerade am 12. September 75 geworden, das Ohr am Boden, als er 1976 sein erstes Originalhörspiel für den Bayerischen Rundfunk schrieb: meta-ästhetisch hellsichtig, vorausschauend ... schade, daß es keine akustischen Metaphern für diese Haltung gibt.
Denn die Haltung der Kurzgeschichte ist eine strikt akustische, radiophone. Wir hören, was wir aber erst auf der zweiten Cassettenseite merken, eine automatische Bandaufnahme. Und auf ihr hören wir, wie die erste Mondstation an einem Sauerstoffleck havariert. Und wie die Zwei-Mann-Besatzung die akustische Überwachung intrigant zu nutzen versucht; denn die Rest-Luft würde für einen zum Überleben reichen - wenn das unparteiische Protokoll-Programm am Ende der Mondnacht (im Funkschatten in der Librationszone) nur auswiese, daß der jeweils andere freiwillig aufgab. Oder infolge Notwehr das Atmen einstellen mußte.
Das reicht an Spannung, Erzählkunst und Technik-Kritik (nicht die Computer sind pervers ...) für 49 Minuten (= 29 Seiten in der Druckfassung), die Stimmen (Bodo Primus, Horst Peter Neutze und der Stations-Computer) unterhalten gut, die Produktion erschließt sich nur im Kopfhörer vollständig als gelungen (wegen der Stereo-Taktik) ... kann man hören. Aber wann? Wir empfehlen: per Car Hifi im Stau. Bei stetig steigendem Tox-Anteil in der Lüftersoße.
WING
Stanislaw Lem: Mondnacht. HörVerlag 1996, 1 MC, 49 Min., 24.90 DM / Druckfassung in: Mondnacht. Suhrkamp Taschenbuch 729