HANNS KNEIFEL

Parseks & Pharaoninnen

Einer unserer Hausgötter hat schon wieder zwei Bücher geschrieben

Kaum sonst einer überbrückt Zeiten und Räume, Geschmäcker und Trends, Genregrenzen und Marktsegmente so souverän - und vom stino Feuilleton so unbemerkt - wie Hanns Kneifel.
Der hat schon historische Romane geschrieben, als Tanja Kinkels Eltern noch in die Schule gingen - und wir (ahem - der Autor ist vom Rezensenten biologisch so entfernt wie ihr von ihm) Kneifels Taschenbücher zur TV-Serie Raumpatrouille verschlangen (inzwischen in drei Überarbeitungen - bei Tosa, Goldmann und Haffmans). Und er schreibt heute eine so unmoderne Art Science Fiction (und "Computer" im Kopf wohl immer noch mit "K"), daß es für Leute mit einem größeren Horizont (etwa vom Kneifel klar mit-prägenden Nachkriegs-Pyramiden-Reißer "Sinuhe der Ägypter" bis zum uns nicht unberührt lassenden "Matzbach/Hannibal"-Gisbert Haefs der End-Achtziger) ein äonales Vergnügen ist.
Zwei dicke Kneifel-Werke sind jetzt gerade (außer seinen ständig unterschätzten "Atlan"-Romanen am Rande der Perry Rhodan-Welt, bei Moewig) neu in den Regalen. Erstens: Hatschepsut, die Pharaonin, ein Taschenbuch-Nachdruck aus dem Schneekluth-Verlag (dort gibt's noch drei weitere antikisierende Hanns-Hardcover-Schmöker). Da protzt die Belesenheit (im Anhang wird sogar ein GEO-special als Quelle angeführt), da kribbelt der Sinn fürs bewußte körperliche Schreiben ("Der Schweiß troff", etwa in der Mitte des dicken Buches), da feiert ein alter Mann eine starke Frau von ehedem (tatsächlich, die erste Regierungschefin der gesicherten Geschichte) - und das wird (auch wenn sich Kneifel von seinem Bewunderer Haefs das philologisch korrekte Arbeiten einreden ließ) nie professoral. Sondern gut gefühlsbildnerisch für die mittleren Stände. Wenn der herrschaftliche Falke mit gebrochenem Flügel hüpfend wirre Muster in den Nil-Sand zeichnet, am Ende, zum Beispiel.
Zweitens: Das Machaon-Projekt. Ein Original-Roman im gerade neugegründeten "Tilsner"-Verlag. Der Verleger gehört zur dritten deutschen Generation von verbreitungstätigen SF-Fans (und seine Lektorin hat dem Rezensenten mal eine SF-Short-Story halb-geklaut, by the way). Die erste ist, bis auf Wolfgang Jeschke, Heyne-Lektor, tot - die zweite ist, bis auf Horst Pukallus, Heyne-Übersetzter, sub specie aeternitatis unbedeutend (Anton/Bieger/Hahn/etc.), die dritte aber entdeckt gerade ihre einheimischen Großväter. Gut so. Fehlt nur noch das "Werner Illing"-Revival, das in den 70ern bei Fischer scheiterte.
Kneifels Machaon-Buch, um darauf zurückzukommen, handelt von Raumfahrern auf einer Kreidezeit-Welt. Und von eingeborenen Stammesführern, die ein pralles Abenteuer - und einen relativ anachronistischen Effekt machen. Sarkastische High-Tech vom Orion-Standard, Einmischungs-Philosophie auf der Höhe von Strugatzkis "Es ist nicht leicht, ein Gott zu sein" - und dieser unnachahmliche Kneifel-Kaffeeküchenkitsch á la "Das letzte Licht des Tages schoß wie ein gigantischer Fächer hinter den Bergzacken empor und vergoldete die Wolkenränder. Der Duft des Tees breitete sich aus, die Mitglieder kamen zum Essen" (S. 49). ... All das mischt sich auf besondere Weise.
Nicht immer gut, aber immer besser gemacht als der Normal-Rest. Und vor allem immer so offensichtlich wissentlich anti-reflektorisch montiert, daß alle Meta-Fallen ("ich weiß, daß ich nur schein-naiv tue") unter der Sonne siegender Kraft zerschmelzen.
Kneifel paßte nie in den Trend. Zu global für die 50er (damals entzog er sich der Berufsschullehrerei ins All hinaus), zu weinselig für die 60er (auch die Bier-Passagen in Hatschepsut heute sind noch eine Rausch-Literatur-Doktorarbeit wert), zu tapfer für die 70er (damals brachte er den ersten deutschen expliziten Beischlaf in einem Groschenroman unter), zu brutal für die 80er (bei ihm brechen Genicke immer noch so malerisch wie Bilderrahmen) ... und ausgerechnet in den der Postmoderne müden 90ern fängt Kneifel an, sämtliche Epochen senioresk unweise zusammenzuquirlen, und 3500 Jahre vor uns, oder 35 Millionen Jahre zurück auf einem anderen Planeten, Gegenwart in Geistesgegenwart zu spiegeln. Faszinierend.
WING
Hanns Kneifel: Hatschepsut - Die Pharaonin Goldmann Verlag, 1996, TB 42566, 750 S. 20.- DM
Hanns Kneifel: Das Machaon-Projekt Verlag Thomas Tilsner, 1996, 285 S., 36.- DM