ZEITVERBRECHEN
Tick Tack Tot Norbert Klugmann malt »Die Mühlen des Teufels« zeitnah als apokalyptischen Lokalkrimi aus Norbert Klugmann schreibt etwa ein Buch pro Jahr; ungefähr jedes zweite schreibt er von Umberto Eco ab - und wechselt anschließend den Verlag; und im vorerst letzten bringt er gleich drei ziemlich abgeschlossene Romane unter. Der erste spielt in Münster, wo ein Touristenführer von der wunderbaren, rätselhaften astronomischen Domuhr erschossen wird - und das schwarze Schaf einer Privat-Bankiers-Familie den Fall eigentlich nur aufklärt, um eine alternative Tierärztin ins Bett zu kriegen. Der zweite verlängert den Plot des ersten in die deutsche Vergangenheit. Einerseits plante ein früherer Dom-Uhrmacher ein mechanisch gestütztes Attentat auf Hitler (der seinen Münster-Besuch damals tatsächlich protokollwidrig vorzeitig abbrach). Andererseits gibt es eine Verschwörung eingeweihter Zeit-Weiser, die seit Erfindung des Uhrwerks etwas gegen Die Mühlen des Teufels (so heißt die Trilogie in einem Band) hat. Mit der Synchronisierung aller ortsüblicher Eigenzeiten und Lebenswelten auf einen globalen Takt sei das Ende der Menschenwürde eingeläutet, vermutet der mittelalterliche Gründervater der Geheimgesellschaft. Und initiiert einen 1000-Jahre-Plan, der per Resonanzschwingung gleichzeitig angeschlagener Groß-Geläute heute die gottferne Zivilisation in Klump klingeln soll. Das Unheil zwar wird von den heftig herumreisenden Helden in letzter Sekunde abgewendet, aber die á la Computer-Adventure gesammelten Glocken der Apokalypse werden auf der letzten Seite von einer noch geheimeren Gesellschaft wieder geklaut. Und Norbert Klugmann, der seit ca. 1 Jahrzehnt Geheimgesellschaften, geschichtsmächtige Verschwörungen und beischlafgestörte Helden zu Plotte treibt (vom Pendel des Pentagon (Rowohlt Taschenbücher) bis zu den König-Ludwig-Terroristen in Neuschwanstein letztes Jahr (Haffmans Hardcover)), verpaßt hier die Chance auf Ewigkeitswert. Der Münster-Teil war noch sauber recherchiert, die Kirchen-Mafia gut unter den Talar getroffen, aber die Zeitverbrecher-These hätte welthaltiger ausfallen müssen. Nicht die Uhren selbst nämlich, sondern die preußischen Langstrecken-Eisenbahnen erzwangen aus Fahrplangründen die Gleichschaltung divers getakteter Reichsteile. Was zusammen mit dem 150jährigen Jubiläum der "Köln-Mindener" in diesem Jahr (die kam zwar nicht in Münster vorbei, aber immerhin in Bielefeld, wo es auch schön skurrile lokale Uhrengeschichten gibt), viel Kolorit gemacht hätte. Und wenn schon Glocken des Unterganges Stimme sind, dann muß man unter uns Literaten natürlich Thomas Mann und die Glocken von Rom verarbeiten (den Glöckner von Disney wegzulassen, ist dagegen ein kluger Ausfall). Und wenn man schon in Münster anfängt, darf man die Glockengießerei in Gescher nicht vergessen. Dafür wird der dritte Roman unter demselben Titel hochtechnisch. Eine neue Geheimbundebene taucht auf, Resonanzfrequenzen werden per Satellit übertragen, die Zeitkritik wird fundamental - aber auch langsam langweilig - und der edle Global-Anschlag der Retter des Moments gegen die Sekunde entpuppt sich als Wirtschaftskriminalität zur Erzeugung von schnödem Wiederaufbaubedarf. Während der Klugmannsche Zynismus den zivilisatorischen Werken gegenüber (er behauptet stets, mehr zur durchschauen als er kennt) sowohl unter dem Gewicht des Werks zusammenbricht, als auch der Weltteile, die er über dem ganzen Protzen schlicht vergißt (wenn schon Mysti-Fix-O-Gum, dann bitte auch den Maya-Kalender verarbeiten, der Atlantis übermorgen auftauchen sieht). Die Mühlen des Teufels wären, hätte Umberto Eco sie selbst geschrieben, besser geworden. Aber ohne Norbert Klugmann hätte das gemeine Volk nie von den Brüdern Tom Rink gehört, immerhin. WING
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Norbert Klugmann: Die Mühlen des Teufels Hamburg: Hoffmann und Campe 1997, 398 S. |