JUGEND
Grufties & Kannen Der Redaktions-Opa wird weich - und lobt zwei total verschiedene Jugendbücher Hrrm - von Zeit zu Zeit bin ich mir sicher, senil zu werden. Dann wieder mag ich einfach bloß Jugendbücher, aus denen meine Söhne, hätte ich welche, sich längst herausgewachsen wähnten. Oder Töchter. Enkel? Egal. Das eine meiner beiden momentanen Junior-In-Books - kann man today so sagen? - ist Terry "Scheibenwelt" Pratchetts zweiter bei C. Bertelsmann erschienener Roman. Der Johnny, der in "Nur du kannst die Menschheit retten" die Menschheit rettete, indem er die Besatzung eines Computerspiel-Raumschiffs vor ihren Spielern rettete, der kann jetzt die Toten sehen. Weshalb das Buch auf Deutsch ausplaudernd "Nur du kannst sie verstehen" heißt. Dabei versteht er erstmals gar nichts, sondern trifft auf seinem englischen Dorffriedhof bloß kregle Ewig-Gestrige, Ex-Senioren, Leichen-Typen (den örtlichen Kommunisten, die Suffragette, den Scherzartikel-Händler, den Kriegsfreiwilligen, den Selbstmörder ...). Die lernen überraschend schnell Michael "Thriller" Jackson mögen (das Buch ist von 93), mit Satelliten-Telefonen umgehen (wenn man keinen Körper hat, ist der Cyberspace ein Klacks) und bringen einiges durcheinander (u.a. ein geplantes Einkaufs-Center auf ihrem Friedhof, aber ganz anders als Poltergeist-User denken). Außerdem hagelt es Witze, die jedenfalls ich als 14jähriger gerne gemacht hätte. Und Abenteuer. Und Weltweisheit etwa wie wenn Edgar Poe und William Gaines miteinander Sitz-Boogie spielten - tut man das heute noch?. Kauft es also, lest es und gebt es euren Onkeln oder Neffen zu Halloween in den Kürbis; die Mischung aus Moral (auch Freitote haben ein Recht auf einen Fernseher am Grab), Klamauk (der fette Freund heißt auf gut p.c. "umfänglich behindert") und vorsichtiger Moral (der dicke Junge haut seinem asozialen großen Bruder eins aufs Maul) machen das Vergnügen mehr als albern. Etwas. Das andere ist ziemlich undeutsch, trotz Thema und Autor. Ralf Thenior, früher mal Miterfinder der Laber-Lyrik, später meriter Natur-Poet vor allem Westfalens, schreibt seit er in Dortmund wohnt auch Jugendbücher. Weit jenseits von Pädagogik, weit diesseits von plumper Anbiederei - und durchaus angemessen genau recherchiert. Sein letztes spielt in der Sprayer-Szene. Eine Handvoll Teens mit Krise schafft sich das Kannenschütteln drauf, lernt darüber ziemlich straßentaugliche Tussis kennen - und voll ätzende Breitärsche aus der Grundstücks-Schacher-Branchen-Bande. Aufs feinste hilft da im Geschichts-Verlauf die Sozialarbeit (a la `Graffittis sind ja gesamtgesellschaftlich nicht so toll, aber daß Beton nicht brennt, ist schon echt altes Essen') der Spannung aufs Mofa - und der Thrill (will der Baustellen-Wart doch klar dem Begleit-Mädel des wackeligen Helden ans Hemd) dem Seelenporträt nach vorn' ... am Ende gehen die Glücklichen in A-dam umarmt "Tags" verteilen - und kriegen an gewissen staunenswerten Writings mit, daß ihr Ex-Kumpel, wegen Liebeskummer in der Clique und Verfahrensfragen beim Abenteur aus Heim und Peer-Group abgehauen, hier offensichtlich seinen Weg abseits der Normen geht. So geht das klar. Auch wenn das beigegebene Schmieranten-Vokabular einem echten Silo-Nationalen wohl die Locken aufwickelte. Immerhin: nicht nur Lehrer können da was lernen, auch über "weißen Rap"; sogar uns bekannte Jugendpolitiker der Grünen, die ernsthaft über öffentliche Graffitti-Wände nachdenken. Dann doch lieber Lesungen mit Thenior bezuschussen. Wahlweise auch okkulte, mit seinem ersten Dortmunder Jugend-Buch "Die Fliegen des Beelzebub". Und gefälligst raffen, daß damals wie heute 80% des neuen Gewürms gerade nicht den, dazu noch ständig mehr werdenden, angesagten Kulten anhängt. Sei's Ouja, sei's Parka, sei's Yard-Hop. Leider auch nicht dem Ultimo-Lesen, weshalb der Tip hier wieder mal zu 80% die falschen treffen wird. WING
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Terry Pratchett: Nur Du kannst Sie verstehen München: C. Bertelsmann 1995, 223 S., 24.80 DM Ralf Thenior: Die Nacht der Sprayer Ravensburger 1995, 171 S. |