TIER & WIR Haare auf der Seele Peter Hoegs Gespür für Knuddelmonster Zufällig fängt das Buch so an wie Jurrassic Park 2 im Kino aufhört: ein Schiff rast steuerlos auf den Hafen zu, an Bord versteckt ein Wesen aus einer anderen Welt. Dort ein Dino, hier ein Gorilla - und beide nachweislich unabhängig voneinander. Zufall? Volle Absicht: Peter Hoeg hat ein Händchen für triviale Tropen - und den Schatten des größeren Geheimnisses, den sie auf Papier besser werfen als auf die Leinwand. Immerhin hat ja eigentlich ein Wolf, der uneigentlich ein Vampir war, diese Invasions-Art erfunden. Und auch schon in London. Diesmal ist es also ein Affe. Und diesmal mit den besten Absichten. Denn Peter Hoeg ist auch ein grundgütiger Mensch, der nach seinem Erfolg mit "Fräulein Smilla" eine Kinder-Hilfs-Stiftung gründete und sein Honorar aus diesem Buch komplett da hinein stecken will. Es dauert aber etwas, bis der Botschafter des Brudervolks zum Zuge kommt, denn vorher müssen noch die Hoegschen Frauen auftreten. Allesamt intelligent, etwas spröde, etwas aus der Bahn, und mit einer komplizierten Nähe zur Natur. "Die Zahl der Männer, die Madeleine gekannt hatte, reichte, auch wenn sie für eine statistische Quantifizierung zu klein gewesen wäre, insgesamt doch aus, um ihr die Ableitung gewisser allgemeiner Gesetzmäßigkeiten des Verhaltens zu erlauben. Die wichtigste war die Entdeckung, daß sich Inhalt und Entwicklung einer Liebesbeziehung in den ersten vierundzwanzig Stunden bereits voll entfaltet finden." (S. 48) Das ist zwar Psychologie-Heute-Basis-Wissen (Hoeg hat auch einen Hang ins Szientiefe) - stimmt aber nicht. Denn Madeleine, junge Zoodirektorsgattin, in gepflegter Langeweile Trunksucht und Vitamin-B1-Tabletten verfallen (hilft gegen Kater, wie jeder Däne weiß) bracht fast das halbe Buch, um sich in den neuen Affen zu verlieben, den ihr Mann von der Straße gefangen hatte, um gotteslästerliche Experimente an ihm zu veranstalten. Es gibt ein paar Gespräche über Hirnforschung (das Szintigramm als Penetration), ein paar rettende Slapstickeinlagen (der Affe im Rollstuhl als Großmutter getarnt) und einen schönen Tarzan-Anklang über den Dächern von London (beim Sprechenlernen scheißt er über die Brüstung und sagt "Stuhlgang"). Später lieben sie sich im Park, erfinden neue Namen für ihre Geschlechtsteile, haben aber auch zwischen den Zeilen fortgeschrittene Diskurse über Dominanzverhalten und die Kopenhagener Linguistenschule. Dann verlassen sie das Paradies für einen philosophischen Showdown. Der Affe, der inzwischen eleganter spricht als Hoeg schreiben kann, erklärt einer Honoratioren-Versammlung seine Mission. Und deren Scheitern. Die zivilisierte Menschheit sei wohl nicht mehr vor sich selbst zu retten. Sein Versuch sei der letzte gewesen. Und der Unterschied von Tier und Mensch sei kein einfach zu bemerkender. Woraufhin sich ... aber ein bißchen Spannung soll bleiben. Peter Hoegs "Die Frau und der Affe" ist in diesem Jahrhundert der ungefähr dreihundertste Versuch, den Primaten ihresgleichen als Parabel ins Stammhirn zu schmuggeln. King Kong war der größte, Aldous Huxleys "Affe und Wesen" der beste, aber keiner konnte Lancelot Link oder Kommissar Schimpanski verhindern. Weshalb Hoeg, ebenso romantisch wie resigniert und umgekehrt, wohl recht hat mit der Schlußszene, mit der früher Auswandererfilme anfingen: die Segel sind gesetzt, die Affen schauen nach Süden, die Frau ist schwanger. WING
Peter Hoeg: Die Frau und der Affe Aus dem Dänischen von Minika Wesemann. München: Hanser 1997, 288 S., 39.80 DM
|