SCIENCE FICTION
Andere Tage, Andere Wörter »Langsames Glas« in einer neuen Translation Sosehr wir es begrüßen, daß die guten alten SF-Romane, mit denen wir Eingeweihten groß geworden sind, jetzt zunehmend ungekürzter neuübersetzt werden - sosehr bezweifelen wir auch, daß der in der Branche seit den Mit-70ern bloß als schnöder Routinier verschrieene Translator Tony Westermayr damit vergessen gehört. Ein Beispiel aus dem gerade zum drittenmal, und eben neu und länger übersetzten Andere Augen, Andere Tage von Bob Shaw beweist die Skepsis als begründet. "Anfangs war der andere Wagen nur ein blutroter Fleck auf dem sich optisch verschmälernden Band der Schnellstraße, doch selbst auf diese Entfernung - und trotz der Blendung, die durch die schlüssellochartig geformte Iris seines linken Auges verursacht wurde ..." soll schon in den ersten Zeilen allen Ernstes besser sein als "Zuerst war ... zwischen den zusammenlaufenden Linien der Landstraße ... durch die schlüssellochförmige Linse ..."? Unfug. Die Neuübersetzung ist etwa 50 Seiten länger - und mindestens 30% schlechter, unbeholfener, übertriebener. Statt einfach irgendwohin zu gehen, "begeben" sich die Leute jetzt, statt füreinander da zu sein, "stehen sie das miteinander durch" ... sehr schade. Natürlich hatte auch das deutsche Original Fehler ("strömende Windschutzscheiben" etwa statt "regenüberströmter") aber die Neuausgabe (die zweite bei Heyne, die erste im Mini-Hardcover - das goldmanngelbe Taschenbuch von 1974 zählt weiter zu den Ming-Vasen unter den Sammlern) ist trotzdem eine Verschlimmbesserung. Und sie kann sich mit ihren Bremseffekten nicht darauf berufen, daß das Buch ja von "Langsamglas" handele (früher poetischer "langsames Glas" geheißen), das auf der eine Seite der Scheibe das auftreffende Licht so abbremst, daß man auf der anderen Seite folglich in die Vergangenheit schauen kann. Bob Shaw machte Anfang der 70er aus der Idee sowohl eine technische Fabel (Photonen-Transport in zähen Medien), als auch eine psychologische (die Spiegel aus dem Haus der Ex-Geliebten zeigen ihr Antlitz noch nach Jahren) - und eine politische dazu (jeder Glassplitter ist ein retardierter Spion). Aber bis auf ein knappes Vorwort vom in der Vergangenheit deutlich verdienstvolleren SF-Lektor Wolfgang Jeschke ist die neuübersetzte Ausgabe ein Rückschritt. Nicht zuletzt wegen der ungelenken Bleistift-"Illustrationen" darin. Ein verständlicher, aber nur mit Einschränkungen guter Start der neuen "High 8000"-Reihe bei Heyne, die eine "Auswahl guter Science Fiction" auf der Höhe der Zeit vorlegen will. Vor 12 Jahren kostete dasselbe Buch nur die Hälfte, und vor 22 Jahren war es schon, wenn auch kürzer, lesbarer. Aber wer das Original nicht hat, soll trotzdem die moderierte Annäherung daran heute unbedingt kaufen. WING
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Bob Shaw: Andere Augen, Andre Tage. Aus dem Englischen von Irene Bonhorst. Illustriert von Zoltan Boros & Gabor Szikszai. Henye (8001), 236 S., DM 14.90 DM |