HOHE SCHULE

Der Uni-Duo-Test

Zwei Hochschul-Romane für Ein- und Aussteiger

Wo denn nun endlich Wintersemester ist wollen wir den Studierenden aller Fach- und Himmelsrichtungen dringend zur Einführung (in neuen Kopf- resp. Lebensraum) empfehlen, was schon im Sommersemester auf den Markt kam. Wollten da zwei Marketing-Abteilungen nicht einander durch Warten auf den rechten Zeitpunkt unterliegen? Drückten Termin-Verträge? Gehören Universitäre eh nicht zum Zielpublikum? Oder fängt das akademische Kern-Jahr heutzutage wirklich nichtmehr im Herbst an? Wo doch sonst fast alles unverändert ist.
Jedenfalls zwischen England und Hamburg, heute und den Mit-70ern. Da und damals schrieb David Lodge seinen ersten Universitäts-Roman Ortswechsel, den der Haffmans-Verlag sich jetzt zum 13. Geburtstag selbst schenkte. Hier und heute tat Dietrich Schwanitz mit Der Campus dasselbe, den der zwischen Aktualität und Kuriosität herumdelibierierende Eichborn-Verlag mit Breitwand-Presse-Arbeit zum Must machte. In beiden Fällen machten uns erst befreundete Frauen darauf aufmerksam, in beiden Fällen waren die politisch Korrekten ihrer Zeit schwer beleidigt - und beide Fälle vergleichend zogen neulich noch so unterschiedliche Päpste wie Marcel Ranitzki und Hans Mentz den Schwanitz dem Lodge vor. Weshalb wir das hier andersrum sehen.
Lodges Plot ist nämlich besser gebaut: zwei Austausch-Professoren aus England und Amerika tauschen die Unis, die Lehr- und Denkstile, die Frauen (die Anzüge aber nicht, hier bitte empört aufschreien) - und lernen aus der jeweiligen Fremdsicht auf die eigenen Attitüden eine Menge. Wir auch, über den Beginn der Studentenrevolte, die heiße Luft in der Literaturwissenschaft, und die Nutzanwendung von Erzähltechnik-Theorien: jedes Kapitel nämlich folgt einer Auffassung von Fiktion und Narration, weshalb das ganze als Drehbuch enden muß. Das kann man ruhig ein bißchen dröge finden, das hat Lodge später in seinem "kreativen Wochenendseminar für kommende Schriftsteller" auch noch etwas genialer gelöst, aber Ortswechsel muß man trotzdem unbedingt lesen, wenn man an eine neue Uni kommt.
Schwanitz's Campus sollte man dagegen lesen, wenn man jedwede Uni verlassen will. Der echte Prof. für Englisch und Theater (wie Lodge, vor seiner Karriere) hat jeden Glauben an Theorie und Studium verloren, haßt die Bürokratie, die Machtübernahme der Berufslinken und Betroffenen/Innen, die fortwährenmde Ersetzung von Forschen, Wissen, Denken und Argumentieren durch Überzeugungen ... wir kennen keinen Lehr-Bediensteten, der das anders sähe. Daß deswegen jeder mit seinen Studentinen schläft (wir kennen welche, die nicht), dann von denen zu guten Prüfungsnoten gepresst wird (wir können uns vorsichtshalber an keinen erinnern), und schließlich im darum aufkochenden Intrigenbrei zu Grunde geht (Schwanitz kannte Mamets "Oleanna", aber Crichtons "Enthüllung" nur aus der Zeitung), ist Fiktion. Bei Schwaniz geht ein Soziologe vor die Hunde, wird Penner und am Ende weise ... in Wirklichkeit machen einfach alle weiter wie gehabt.
Wenn die Lodges und Schwanitzs (und Mummendeys, der Bielefelder Sozialpsychologe hat schon vor Schwaniz fast so freche Bücher gegen den Verfall der akademischen Sitten geschrieben) so weitermachen wie sie jetzt angefangen haben oder wiederentdeckt wurden, dann könnte tatsächlich der teuerste und unkontrollierteste Bereich der gesellschaftlichen Reproduktion wieder in den Diskurs kommen. Und die Wahrheit auf die Bühne der Komödianten, wo sie seit Shakespeare hingehört.
Maria H
David Lodge: Ortswechsel Aus dem Englischen von Renate Orth-Guttmann. Haffmans, Zürich 1995, 261 S., DM
Dietrich Schwanitz: Der Campus Eichborn, Frankfurt 1995, 382 S., DM 38.-