Geschichten

Von Leben und Tod

Erwin Koch beschreibt Grenzerfahrungen

Die Geschichten und Reportagen, die Erwin Koch schreibt, erscheinen seit vielen Jahren in "Die Zeit" samt dazugehörigem Magazin, dem Stern oder "Das Magazin" aus Berlin. Und so sind auch die in dem Band Von dieser Liebe darf keiner wissen versammelten "wahren Geschichten" schon zwischen 2002 und 2012 veröffentlicht worden. Das macht sie nicht weniger lesenswert. Viele der Geschichten erinnern an Geschichten von T.C. Boyle. Irgendetwas Unausweichliches wird geschehen.

In "Zweihundertsechzig Tage" bekommt ein Ehepaar in den Niederlanden ein Kind, das unter einer schrecklichen Hautkrankheit leidet. Erwin Koch schildert die ersten zweihundertsechzig Tage des Kindes, und schnell kommt der Leser dahinter, dass die Überschrift etwas Finales andeutet, aber es ist weniger das Ende, das einen geschockt zurücklässt, sondern der Weg durch diese Tage. In einer anderen Geschichte ereilt das Schicksal wieder ein junges Mädchen, das seine Krebserkrankung zum Anlass nimmt, eigene Regeln aufzustellen. Ein anderes Mädchen muss sterben, weil es aus einem ganz bestimmten Grund niemals seinem Vater ähneln wird, was die Mutter nicht verkraftet. Dann gibt es da noch die beiden Priester, die Auftragsmörder engagieren, sie umzubringen, und der Künstler Jörg Immendorff erzählt kurz vor seinem Tod aus seinem Leben.

Erwin Koch redet nicht um den heißen Brei. Schnell ist man in den Geschichten drin, weiß, wo man sich befindet, was das Grundproblem ist. Man spürt das alles kommen, und es ist nicht sein Anliegen, aus seinen Geschichten und Figuren Geheimnisse zu machen, jedenfalls nicht in dem Sinne, dass er sie übertrieben filigran einführt. Sie sind da, sie existieren, wie auf Bildern. Er erzählt auf eine enorm sachliche Art und Weise die Geschichten der Personen, aber am Ende ist man als Leser trotzdem von diesen Figuren eingenommen.

Die meisten der Geschichten haben diese Qualität, dass man sie nach dem Lesen immer wieder im Kopf durchgeht. Knapp zwanzig Seiten sind sie oft nur lang, aber in diesen zwanzig Seiten steckt dann soviel, dass es einen nicht loslässt.

Sacha Brohm

Erwin Koch: Von dieser Liebe darf keiner wissen. Wahre Geschichten. Nagel & Kimche, München 2013, 191 S., 17,90