SCIENCE FICTION

Die Zukunft der Zukunft

Jahrbücher zum Ende einer Genre-Ära

Seit 20 Jahren gibt Wolfgang Jeschke den Science Fiction Jahresband heraus, mit "Romanen und Erzählungen prominenter SF-Autoren". Eine sichere Bank für leicht fortgeschrittene Genre-Anfänger; nicht zu verschreckend modern, nicht zu eingeweiht klassikerhaft. Wir kommen auf die Ausgabe 99 zurück.
Seit 1986 gibt Wolfgang Jeschke dazu Das Science Fiction Jahr heraus, mit Überblicksartikeln, Rezensionen, Essays, Interviews ... und dem wichtigsten Vorwort der Branche. Jedenfalls diesmal, im Jahr 99. Wo Buch und Vorwort über die letzten Ausgaben klammheimlich zum Rundbrief an den engeren Bekanntenkreis verkamen (Holger, hol dein Honorar ab) - da platzt jetzt der Knoten und Jeschke packt aus: noch nie ging es der SF in Deutschland schlechter als heute. Der Markt bricht zusammen, selbst populärste Reihen (Star Trek) setzen nicht mehr 20000 Stück eines Titels ab (früher das doppelte), "gute" Normalware bleibt bei 5000 stehen, "schwere" Sachen (wie das Jahrbuch wohl) nähern sich den Auflagen selbstgemachter Gedichtbände. Marktführer Heyne schrumpft seine SF-Reihe jetzt um ein Drittel - und liebäugelt scheinbar damit, die Liebhaber demnächst übers Internet statt den Bahnhofskiosk zu versorgen.
Jeschkes zweites Thema hängt damit zusammen: niemand interessiere sich mehr für die Zukunft. Historische Romane verkaufen sich wie blöd, aber sogar EXPO-Projekte haben keine Visionen mehr. Möcht' wohl sein, daß das Millennium nur noch im TV stattfindet.
Könnt' aber auch sein, daß die ewige Wichtighuberei der deutschen SF jedes Zukunftsinteresse in Datenmüll erstickt. Wie Jescheks Jahrbuch (900 S., davon die Hälfte Archivkram, incl. Bestsellerlisten amerikanischer Drugstore-Ketten). Und die SF das Visionäre selbst aufgegeben hat. Wie in Jeschkes anderem Jahrbuch. Das enthält, schön kommentiert von Stephen Jay Gould (Science) und Arthur C. Clarke (Fiction) als Herzstück eine Dinosaurier-Story. Vom Vater der Saurier-Forschung. Auch die übrigen vier Texten drehen sich um Vergangenheiten, in verschiedenen Verkleidungen. Keine zwar ist historisch, dreien aber sind die SF-Elemente (Zeitreisen, Kryo-Tanks, Bio-Hazards) nur äußerlich. Das ist gar nicht schlimm, nur das Gegenteil von Jeschkes Jahrtausend-end-Programmatik.
WING
Das Science Fiction Jahr 1999 Heyne, München 1999, Nr. 5965, 924 S., 38.00 DM
Science Fiction Jahresband 1999 Heyne, München 1999, Nr. 6301, 477 S., 19.90 DM