Kunst Hassen lernen Nicole Zepter stellt den Kunstbetrieb in Frage Kurt Tucholsky hat 1920 über die Dada-Künstler geschrieben: "Wer inbrünstig hasst, muss einmal sehr geliebt haben. Wer so die Welt verneinen will, muss sie einmal sehr stark bejaht haben. Muss einmal umarmt haben, was er nun verbrennt." Die radikale Abkehr vom bürgerlichen Kunstbegriff als Resultat einer verlorenen Liebe? Nicole Zepter greift in ihrem Buch Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe diesen Gedanken auf. Vor allem hinterfragt sie, wie wir mit der Kunst umgehen. Und wie man selber dasteht, wenn man in einer Ausstellung einfach gerne sagen würde, dass bestimmte Werke schrecklich sind. Es geht in ihrem Buch darum, dass man sich nicht traut zu sagen, dass man etwas nicht gut findet, weil man damit rechnen muss, für dumm gehalten zu werden. Dabei krempelt die Autorin alles um, was im Kunstbetrieb umgekrempelt werden kann. Sie führt ein Interview mit Prof. Dr. Eugen Blume, dem Kurator und Direktor des Hamburger Bahnhofs in Berlin, der meint, dass es, wenn man sich ein Jahrhundert betrachtet, nur ganz wenige Künstler gibt, die wichtig wären. An anderer Stelle macht Nicole Zepter sich dann die Mühe und listet über eine Seite auf, wie die Künstler und Künstlerinnen der Gegenwart in den Presseinfos zu den jeweils wichtigsten und bedeutendsten Künstlern und Künstlerinnen der Gegenwart gemacht werden. Das ist praktisch jeder, der aktuell eine Ausstellung am Laufen hat. Sie möchte, dass wieder mehr auf das Wesentliche geachtet wird: das Kunstwerk. Sie bemängelt, dass im Kunstbetrieb das passiert ist, was auch im Rest der Gesellschaft passiert ist: eine Eventisierung aller Bereiche. Darunter leiden Werk und Publikum, das sich von der Größe beeindrucken lässt und unter dem Druck steht, das gut zu finden. Es ist eine spannende Streitschrift für das Hinterfragen. Nicole Zepter fordert dazu auf, auch ablehnen zu dürfen. Und diese Ablehnung auch äußern zu dürfen, ohne den Generalvorwurf des Nichtverstehens zu ernten. Warum nicht sagen, wenn man etwas langweilig findet? Sacha Brohm
Nicole Zepter: Kunst hassen. Eine enttäuschte Liebe. Tropen, Stuttgart 2013, 135 S., 12,-
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