RELIGION
Hostie im Wind Hans Conrad Zander verteidigt die Inquisition in Grund und Boden Es kann nie schaden, Fehlurteile zu korrigieren. Zum Beispiel waren die Dominikaner ein echter Reform-Orden ("die 68er des 13. Jahrhunderts" nennt Hans Conrad Zander sie). Galileo war ein Ekelpaket und keinesfalls Opfer kirchlicher Ignoranz. Und die Spanische Inquisition hat nicht 95 Millionen Menschen auf dem Gewissen, sondern nur 1200 bis 2000. Das ist schön, schreibt der Ex-Dominikaner und Journalist Zander, ohne diese toten Ketzer wären Sodom und Gomorrha über Spanien hereingebrochen, die Protestanten und der ihnen unweigerlich folgende Bürgerkrieg hätten viel mehr Tote gefordert als die paar Leichen, die sich die Kirche nun aufs Gewissen laden muss. So geht das dauernd. Die Verteidigung der Inquisition hält die Jungs von der sakralen Sittenwacht für echte Fortschrittler. Dort, so Zander, hätten sich stets die besten Köpfe getroffen (außer in Deutschland, aber das ist eine andere Geschichte). Das Gerichtsverfahren der Inquisition war korrekt, Folter gab's selten (und war der weltlichen Erwartung geschuldet), die Gefängnisse waren luxuriös, und allzu viele Ketzerverbrennungen konnte sich die Inquisition schon finanziell nicht leisten. Im übrigen gilt "Moral ist gut, Kontrolle ist besser", und die "einfältige Schlichtheit" des Glaubens ist der "arroganten Besserwisserei der Wissenschaft" allemal vorzuziehen. So sieht sie also aus, die katholische Satire, als deren Meister Zander präsentiert wird: Etwas vorlaut, im großen und ganzen defensiv, recht witzig und etwas frivol mit Fakten lavierend. Es ist richtig, Galileo als Beispiel für katholische Toleranz zu nehmen; aber Giordano Bruno, nach siebenjähriger Folter als Ketzer und Magier verbrannt, wäre auch ein schönes Beispiel gewesen. Neben dem lehrreichen Teil über die Inquisition (schlanke Verwaltung, wenig Geld, ständig unbeliebt... was für ein Leben!) gefällt vor allem der Tonfall. Zander läßt einen nicht näher benannten "Großinquisitor" vor anonymem Publikum reden, was für manche Pointe sorgt. Die Präsentation von Zanders Thesen (die Inquisition war fortschrittlich, frauenfreundlich, effizient & heilig) ist geglückt. Wenn sich sein Großinquisitor coram publico beschwert, rein dienstlich habe er immer wieder Lutter lesen müssen, und der habe noch mehr geschrieben als Eugen Drewermann, und wenn er dem Reformator eines übel nehme dann seine eitle Geschwätzigkeit ("Ja glaubt ihr denn, die Arbeit eines Großinquisitors mache immer Spaß?"), dann ist das witzig. Insgesamt bewegt sich Zander allerdings auf der Schleimspur aller Apologeten: Eigentlich ist Katholizismus klasse, und wo nicht - wie viel schlechter wäre die Menschheit dran, wenn statt der Kirche etwa die Muslime oder Naturwissenschaftler das Abendland regierten!? Wie viele Hexen hätte das dumme Volk verbrannt, wenn die Kirche das nicht alles in ordentliche Bahnen gelenkt hätte! Als satirischer Bonbon ist das drollig. Als Entschuldigung nur eine Hostie im Wind. Erich Sauer
Hans Conrad Zander: Kurzgefasste Verteidigung der Heiligen Inquisition. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2007, 192 S., 14,95 |