MATHEMATIK
Zahlen bitte!
Man darf jetzt "nummerieren" schreiben und jeder Verlag muss was Mathematisches im Programm haben.
Über solche Zusammenhänge sollte mal einer ein Buch schreiben. Stattdessen schickt Denis Guedj: Das Theorem des Papageis (Hoffmann und Campe) eine irgendwie poetisch gemischte Truppe (Buchhändler im Rollstuhl, alleinerziehende Mutter, pubertierende Zwillinge, tauber Adoptivsohn - und ohn' Unterlass dozierender Papagei) auf Bildungsurlaub durch die Mathematik-Geschichte. Um eine geheimnisvolle Bibliothek voller Originalausgaben in die richtige Ordnung zu bringen. Alfabetisch etwa kommt Euler vor Fermat, in der Theorie der imaginären Zahlen aber danach - das sind Probleme. Le Monde war ganz begeistert, von der Sprache (die in der Übersetzung von Bernd Wilczek nicht mehr wiederzuerkennen ist) und von der komplexen, ins philosophisch-parabolische lappenden Zahlen-Erzählung ... es sind dann aber doch bloss zähe 592 Seiten welscher universal-bildungshuberischster Episoden (Risotto machen und Thales beweisen, in einem Umrühren etwa) - aber ohne Register, so dass man nichtmal was Nachschlagen kann. Schade eigentlich.
Denn dass Mathematik ein spannendes Schicksal sein kann, bewies Simon Singh: Fermats letzter Satz schon Ende letzten Jahres. Und trat als Weltbestseller damit die Mathewelle los. Dabei ist Fermats Vermutung eine simple Erweiterung des schulbekannten Pythagoras-Satzes: a2 + b2 = c2 - oder: unendlich viele, wenn auch nicht alle, Quadratzahlen lassen sich so auswählen, dass eine die Summe der anderen beiden ist (25+144=169). Anschaulich am rechtwinkligen Dreieck (das Quadrat über der langen Seite ist so gross wie die Quadrate über den kurzen zusammen). Für a3 + b3 = c3, scheinbar nur 1 Schritt weiter, gibt es aber schon überhaupt keine Lösung mehr; ja sogar für keine Potenz über 2 überhaupt. Das vermutete Fermat vor 350 Jahren - und behauptete, einen ganz einfachen Beweis dafür gefunden zu haben. Erst 1997 wurde das Rätsel gelöst (auf 180 Seiten Rechnung von Andrew Wiles) - und Simon Singh erzählt, wie es dazu kommen konnte - und warum die Fermat-Frage eine der wichtigsten der ganzen Mathematik ist. Das ist nicht einfach, das versteht man auch am Ende nicht ganz genau ... aber es fallen so viele interessante menschliche Episoden und mathematische Ergebnisse unterwegs ab, dass die Lektüre lohnt. Und Spass macht.
Daran besonders war Paul Erdös interessiert, der Held in Paul Hoffman: Der Mann, der die Zahlen liebte. Ein verschrobener ungarischer Mathematiker (der übrigens bei Guedj oben fehlt), der nachweislich 80 von seinen 83 Lebensjahren mit Mathematik verbrachte (schon im Kindergarten entdeckte er negative Zahlen) - seine Vorlesungshonorare an Bettler verschenkte - ohne Bibliothek nur aus zwei Koffern lebte - und ständig seltsame Scherze machte. Über seinen Beruf ("Mathematiker sind Maschinen, die Kaffee in Theoreme verwandeln" - er selbst nahm Benzedrin) oder den "Superfaschisten" im Himmel, der ihm erst einen Sehfehler gab und dann die Brille versteckte.
Die mathematischen Passagen in Hoffmanns Biografie sind dann auch eher kurios (Algorithmen fürs Kofferpacken), Erdös' grösste Einzelleistung ist ebenfalls nur randständig (er bewies, dass zwischen zwei Zahlen a und 2a (1 gilt nicht) immer eine Primzahl liegt - so wie 3 zwischen 2 und 4, 5 zwischen 3 und 6, 7 zwischen 4 und 8 ...), aber die Lebensbeschreibung eines Mannes, der Zahlen, und nichts als Zahlen, liebte, ist anrührend gelungen.
WING
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Denis Guedj: Das Theorem des Papageis Hoffmann und Campe, Hamburg 1999, 592 S., 44.90 DM ISBN: 3455025463
Simon Singh: Fermats letzter Satz Hanser, München 1998, 364 S. 49.80 DM ISBN: 3446193138
Paul Hoffman: Der Mann, der die Zahlen liebte Ullstein, Berlin 1999, 357 S., 39.90 DM ISBN: 3550069782
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