ENGLAND
Krawallbolzen
Martin Amis' Roman »Yellow Dog« - 3 Bücher zum Preis von einem
Irgendwas über England und die Gegenwart als solche will Martin Amis uns in Yellow Dog offensichtlich mitteilen. Man kommt nur nicht so recht dahinter, was. Da gibt es ein Erpresser-Video mit einer nackten englischen Prinzessin, einen Boulevard-Kolumnisten der übelsten Sorte, Clint Smoker, der wirklich vor gar nichts zurückschreckt (und den der Autor zur Strafe mit einem kleinen Schwanz ausgestattet hat - der Humor des ganzen Werkes ist auf diesem Level). Es gibt den aufgeklärt feministischen Mann Xan Meo, der gleich zu Anfang eins über die Rübe gezogen bekommt und infolge der Hirnverletzung zum tierischen Macho degeneriert - es geschieht viel, und weil Amis sein Material gewollt willkürlich ungeordnet präsentiert, hat man vorübergehend den Eindruck, es passiert auch was.
Wenn kulturkritische Romane "was wollen", tappen sie leicht in die "Steppenwolf"-Falle: das Leiden der Helden an der "Obszönisierung" (Amis) der Gegenwart verkommt leicht zum Gejammer eines alternden Autors, an dem die Zeit merklich vorbeizieht. Nun ist der alternde Krawallbolzen Martin Amis viel zu polemisch veranlagt, als dass Yellow Dog nur ein Roman des Jammers sein könnte. Er gibt seinen Figuren durchaus "große" Szenen, Situationen, in denen sie ganz aus sich heraus agieren und glaubwürdig wirken. Zu oft jedoch müssen sie sich der Sehnsucht des Autos nach Satire beugen. Amis Ausflug in die Pornografie-Szene von L.A. war fast Wort für Wort als Reportage in Pornoland zu lesen (Ultimo 14/04), dort war's witzig, hier dient der gleiche Text als Beweisführung: erst mit dem tiefsten Schmutz konfrontiert, findet der hirnverletzte Xan Meo zu seiner aufgeklkärten Haltung zurück.
Yellow Dog sind eigentlich drei Bücher, die gar nicht zueinander passen: Krimi, Entwicklungsroman und satirischer Essay. Weil Amis aber natürlich schreiben kann wie die Hölle, ist es durchaus aufregend und amüsant, ihm beim Scheitern dieses Romans zu folgen. Denn bei allen konzeptionellen und stilistischen Brüchen (Yellow Dog beginnt als furioser Wortschwall und wird immer mehr konventionell) ist immer das Temperament spürbar: Amis leidet mit seinen Figuren und an seiner Zeit. Das gibt bei einem, der sein Handwerk beherrscht, allemal eine interessante Mischung.
Alex Coutts
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