Moderne Klassiker Szenen einer Ehe Richard Yates' "Eine strahlende Zukunft" liegt erstmals auf Deutsch vor Wer die US-Serie "Mad Men" kennt, der sieht hier alles sofort vor sich: In der kulissenhaften Vorstadthölle nahe New York im Jahr 1959 genehmigt man sich schon vor dem Mittag den ersten Drink. Der Mann geht in der Stadt einem langweiligen Job nach, die Frau macht zu Hause den Abwasch und erzieht die gemeinsame Tochter. Natürlich brodelt es unter der netten Oberfläche. Dass Lucy die Vermögendere von beiden ist, ist nur einer von vielen Konflikten, die die junge Ehe von Anfang an belasten. Schnell müssen die beiden einsehen, dass sie keine Zukunft haben. Im zweiten und dritten Teil des Romans erzählt Richard Yates zunächst aus Lucys, dann aus Michaels Perspektive von zerplatzten Träumen und Hoffnungen. Es ist nicht nur die Ehe, an der sie scheitern. Lucy ist eine erfolglose Schauspielerin, Schriftstellerin und Malerin. Michael kämpft mit psychotischen Schüben und versucht sich nur mäßig erfolgreich als Lyriker und Dramatiker zu etablieren. Das Glück scheint immer greifbar und ist doch so weit entfernt. Gescheiterte Beziehungen und Existenzen, Alkoholismus und Wahnsinn - das waren die Themen des amerikanischen Schriftstellers Richard Yates, der 1992 mit nur 66 Jahren starb und wie eine Figur aus seinen Geschichten wirkte: Alkoholiker, beziehungsunfähig und als Schriftsteller zuletzt nur noch wenig beachtet. Sein einzig großer Erfolg war das umjubelte Debüt Zeiten des Aufruhrs aus dem Jahr 1961. Sam Mendes machte 2008 mit Leonardo DiCaprio und Kate Winslet einen Film daraus. Was folgte, war die Wiederentdeckung einer der wichtigsten Autoren der amerikanischen Literaturgeschichte. 30 Jahre hat es gedauert, ehe die deutsche Übersetzung von Yates' vorletztem Roman Eine strahlende Zukunft erschien. Yates große Stärke ist die schlichte, prägnante Sprache. In langen, immer pointierten Dialogpassagen führen sich die Figuren selbst vor. Yates entwirft in Eine strahlende Zukunft Charaktere, die für das Scheitern prädestiniert zu sein scheinen. Dass der Absturz unausweichlich ist, spürt der Leser sofort. Seine kompromisslose Darstellung tut weh, aber lässt sich hervorragend lesen. Der deutsche Übersetzer Thomas Gunkel fängt den typischen Yates-Stil sehr gut ein. Der Roman kann sicherlich nicht mit Yates' Meisterwerken Zeiten des Aufruhrs und Easter Parade mithalten. Aber wie sagt sein deutscher Biograph Rainer Moritz so schön: "Auch schwächere Yates-Bücher sind besser als die meisten Nicht-Yates-Bücher." Annika Bochnig
Richard Yates: Eine strahlende Zukunft. Aus dem Englischen von Thomas Gunkel. Deutsche Verlags-Anstalt, München 2014, 496 S., 22,99
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