SCIENCE FICTION

Neue alte Welten

Eine Poetik des SF-Films

Simon Spiegel ist ein junger Schweizer Filmwissenschaftler mit einem sehr großen Anspruch. Nichts weniger als das Grundlagenwerk zu einem der populärsten und kommerziell erfolgreichsten Film-Genres wollte er schreiben. Und immerhin befand Wolfgang Jeschke, der große alte Mann der deutschen SF, Spiegels Konstitution des Wunderbaren werde "bald als Meilenstein der Sekundärliteratur gelten".
Zwei Argumente jedenfalls sprechen klar für das Meilenstein-Prädikat. Erstens: Spiegels Buch liegt eine DVD mit Filmbeispielen bei. Das ist sehr zu loben. Allerdings gibt es darauf nur 16 Schnipsel aus den über 300 im Buch besprochenen Filmen. Das ist kläglich.
Zweitens: Er analysiert auch Szenen aus Filmen, die eindeutig nicht zum Genre gehören. Das koppelt die nur scheinbar eigenständige SF-Filmwelt sinnvoll an den Rest des Unterhaltungs-Universums. Aber das verwirrt auch. Wenn Fred Astaire in Royal Wedding über Boden, Wand und Decke eines Raums tanzt, ist das sicher wunderbar, aber auch das genaue Gegenteil einer vordergründig ähnlichen Szene in 2001 (die auf der DVD fehlt) - wilde Traumtänzerei dort, strenge Plausibilitäts-Operation hier.
Spiegel bemerkt richtig, dass SF-Filme in der Regel ästhetisch konservativ mit dem Medium umgehen. Extreme Perspektiven, auffällige Montagen, innovative Erzählweisen kommen in SF-Filmen nur selten vor. Dass der größte Teil auch noch konservative Inhalte erzählt, ist für Spiegel eher Nebensache.
Wichtiger ist ihm, wie der SF-Film wunderbare Welten entwirft und glaubwürdig macht. Mit hohem Aufwand an Fachvokabular und viel Fußnotenarbeit tankt er sich deshalb durch allerlei teils entlegene Dramaturgie-Theorien. Das macht seine Konstitution schwer lesbar. Andererseits feiert er immer wieder das Fan-Erlebnis des "Sense of Wonder" auch bei mediokren Filmen. Das versöhnt mit mancher Klügelei.
WING
Simon Spiegel: Die Konstitution des Wunderbaren. Zu einer Poetik des Science Fiction-Films. Schüren, Marburg 2007, 385 S., 1 DVD, 24,90