VERSCHWÖRUNGEN

Fallende Türme

Das World Trade Center als amerikanisches Gleiwitz


Das andere Buch zum Thema

Hat eigentlich schon mal wer die Theorie vertreten, dass das World Trade Center nur deshalb am 11. September zusammenfiel, weil die Datumsabkürzung in amerikanischer Schreibweise 9/11 ist - und 911 die landesweite US-Notrufnummer? Vermutlich schon; die Meinungen, Argumente und Hinweise zur "World Trade Center Verschwörung (WTC-Conspiracy)" sind eh längst unübersichtlich geworden. Scheinbar niemand glaubt mehr, dass es wirklich so war, wie die Bush-Regierung den Vorfall als Kriegsgrund deutet. Gerhard Wisnewski auch nicht. Sein Operation 9/11 - Angriff auf den Globus ist nicht das erste deutsche Buch zum Thema, es ist auch nicht das im Klappentext angekündigte "überzeugende Gegenmodell, wie es noch nie zu lesen war" - aber es ist eine aufregende Ansammlung von Fragen, die heute, wo selbst TV-Nachrichten voll von Regierungs-Fälschungen rund um Nine-Eleven sind, bereites Interesse finden dürften. Er erzählt von seltsamen Börsenvorgängen (in der Woche vor 911 spekulierten amerikanische Banken überrasched auf fallende Kurse), er findet Augenzeugen, die kein Flugzeug ins Pentagon stürzen sahen, er sucht die Leichen aus den Attentats-Flugzeugen und findet keine, er "beweist" mit schlechten Fotos, dass das WTC von innen gesprengt wurde, er legt deutlich nahe, dass Amerika sich selbst eine Art Gleiwitz bereitete - den erwiesen gefakten "Anlass" von Hitlers Polen-Überfall erwähnt er aber nicht.

Positive Beweise hat er auch nicht. Nur alte US-Militärhandbücher, die Fake-Operationen beschreiben. Oder Horst Ehmkes Polit-Thriller, der im Mai 2001 von Flugzeugen handelte, die in Berliner Hochhäuser stürzen. Oder Hollywood-Parallelen, die 911 als Remake von Independence Day erscheinen lassen. Und eben viele offene Fragen: Wieso wird Osama auf der offiziellen FBI-Website nicht als 911-Terrorist gesucht (ein Fehler im Fake? eher unwahrscheinlich)? Warum fliegen die Attentats-Maschinen nach der "terroristischen Übername" erst vom WTC weg? Wo sind die Trümmer der Shanksville-Maschine, die angeblich auf das Weisse Haus zielte? Und dutzende mehr. Und schliesslich: haben die Verantwortlichen (Wisnewski deutet an: es war die Regierung) einen amerikanischen Roman gelesen (die "Turner Diaries"), in dem ein amerikanischer rechtsradikaler Attentäter per Flugzeug ins Pentagon stürzt? Am 9.11.?

Grosse Rätsel. Leider erwähnen weder Wisnewski noch der andere eifrige Puzzle-Sammler Bröckers (dass die sich wechselseitig verschweigen, müsste auch mal geklärt werden), dass der Untergang der Titanic ebenfalls in einem Roman Jahre vorher vor-erfunden wurde. Es ist nicht alles Verschwörung, was danach riecht. Selbst wenn es nach Öl riecht.

ERGÄNZUNG:

Im letzten Heft haben wir uns im Buchteil mit der Szene der Verschwörungstheoretiker rund um den "Nine-Eleven" befaßt. Obwohl unsere Autoren keinesfalls Anhänger jener Theorien sind, nach der das Trade-Center gesprengt wurde oder "die Juden mal wieder" dahinterstecken (derlei Gefasel hätte zu lebenslangem Schreibverbot bei ULTIMO geführt), gestanden die Rezensenten doch zu, dass in den Büchern Wisnewkis und von Bülows Fragen auftauchten, die zu denken gäben und geklärt werden müßten. Nun, seit drei Wochen passiert lustigerweise in Medien wie "Panorama", "Spiegel" und "Süddeutsche" nichts anderes, es wird geklärt - und dabei stellt sich heraus, dass die Herren Wisnewski, von Bülow und Bröckers, die Gurus der WTC-Verschwörer, es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Dafür sind sie von einer Fan-Gemeinde umgeben, deren Manieren teilweise eher an die SA als an einen Debattierclub denken lassen. Weil ULTIMO-Autoren, im Gegensatuz zu den WTC-Conspiracy-Gurus, sich durchaus von Fakten beeindrucken lassen, teilen unsere Rezensenten Ueding und Sauer in seltener Eintracht mit: "Nach wie vor sind zum 11. September Fragen zu diskutieren; aber nicht mit diesen Herren."

WING
Gerhard Wisnewski: Operation 9/11. Angriff auf den Globus Knaur, München 2003, 414 S., 12,90 ISBN: 3426776715