STEAMPUNK

Die Welt daneben

Ein Jugendbuch über oben und unten in einer Parallelwelt

Literaturagenten munkeln, nach Harry Potter und den Teenie-Vampiren komme jetzt Steampunk als der nächste große Trend. Und Richard Harland sei mit seinem World Shaker der Prophet dieser Sorte gesellschaftlich relevanter Fantasy mit Dampfantrieb.

Dabei gab es Steampunk schon immer. Die Titanic war noch gar nicht vom Stapel gelaufen, da schrieb schon jemand einen Roman, in dem das modernste Schiff der Welt an der Hybris der Menschheit zerschellt. Jules Vernes Nautilus, Fritz Langs Metropolis und Jim Knopfs Lokomotive muss man zum frühen Steampunk rechnen, und etwa seit 1980 dampft und stampft das Genre als eine Art stählernes Biedermeier quer zur normalen Science Fiction durch die Welt.

Die hat bei Richard Harland irgendwie ihre bürgerliche Revolution verpasst und erlebt ihre industrielle Revolution als Verlängerung des viktorianischen Zeitalters. Seit Napoleon seinen Tunnel nach England grub und sozusagen sein Waterloo auf der Insel hatte, läuft in der World Shaker-Parallelwelt alles schön übersichtlich sinnbildlich ab.

Alle europäischen Fürstenhäuser bauen riesige "Juggernauts", fahrbare kilometerlange und turmhohe Fluchtburgen, in denen auf den Oberdecks die feine Gesellschaft flaniert, während die Unterschicht unten Kohlen schippt. Speziell die riesige englische "World Shaker" zieht seit nun über 100 Jahren über den Globus, meist schwimmend, aber zuweilen walzt sie auch imperialismuskritisch auf stählernen Rollen ganze Landstriche platt.

Ausgerechnet der Enkel des Oberbefehlshabers findet eines Tages ein Mädchen der Morlocks (uups, falsches Buch, aber Die Zeitmaschine war natürlich auch schon Steampunk) unter seinem Bett. Man ahnt, wie das ausgeht.

Richard Harland setzt alle Jugendbuch-Hebel in Bewegung, um seinen Klassenkampf spannend mit dem Erwachen eines Schnösels zum historischen Bewusstsein zu verbinden. Es gibt absurde Szenen in der Schule, einen vorsichtigen ersten Kuss, erschreckende Familiengeheimnisse, mehrere Rettungen in letzter Sekunde und eine nette Queen Victoria II., der am Ende die Erleichterung anzusehen ist, als ihr der neue Revolutionsrat erlaubt, die Krone abzusetzen.

Ein zweiter Band ist schon in Vorbereitung. Schließlich sind noch andere Juggernauts unterwegs, die Restauration hat ihre Agenten und Heizer werden auch im nun befreiten, umgetauften "Liberator" noch gebraucht.

Wing
Richard Harland: World Shaker Aus dem Englischen von Werner Leonhard. Jacoby & Stuart, Berlin 2010, 397 S., 16,95