Liebe

Mordechais Beschwerden

Der Schweizer Thomas Meyer beobachtet einen orthodoxen Juden beim Pubertieren

Das Buch heißt nicht nur Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse, es ist auch komisch. Denn der arme Mordechai Wolkenbruch, orthodoxer Jude in Zürich, ist im heiratsfähigen Alter, weshalb seine "mame" ihm eine Frau nach der anderen vorstellt. Und alle sehen genau so aus wie "mame" (einen Teil des Witzes bezieht das Buch aus seiner jiddischen Schreibweise, die man dank eines ausführlichen Glossars aber gut versteht).

Mordechai hat sein Judentum nie in Frage gestellt, aber jetzt ist er in die Nicht-Jüdin, die "Schickse" Laura verliebt, eine äußerst attraktive Mitstudentin, die den bärtigen Mordechai keines Blickes würdigt.

Mame hingegen schaut sehr genau auf ihren Jungen und schickt ihn zum Rabbi. Der hört gern Jazzplatten und Led Zeppelin und sagt: Geh nach Israel, dort gibt es schöne Frauen und alles wird sich fügen.

Mordechai kommt aus Israel entjungfert zurück, stutzt sich den Bart, kauft sich eine Jeans - und wird erstmals von Laura bemerkt und angesprochen. Und erkannt. Sozusagen.

Zur Brautparade seiner mame bemerkt Ich-Erzähler Mordechai: "So muss es früger im Königsschloss mit der ungestalten Prinzessin gewejn sein, dachte ich; man sperrt sie ins Turmzimmer und schleusste Prinz um Prinz hinauf, in der hofenung, eine habe schlechte ojgn." Der bekannte Tonfall sattsam bekannter Pubertätsgeschichten bekommt hier einen jüdischen Unterschleif, einen trockenen Witz, der die tausendmal erzählte Geschichte vom Sohn, der seinen eigenen Weg finden muss, wieder unterhaltsam macht. Zudem bietet das 2012 bereits erschienene und jetzt als Taschenbuch vorliegende Werk einen frechen Blick auf das jüdische Innenleben, das in Zürich jenem in Manhattan, wie wir es von Woody Allen kennen, verteufelt ähnlich sieht.

Gott der Herr hat übrigens nur einen Auftritt, ganz zu Anfang. Da redet er mit Mordechai und sagt ihm dass er, Mordechai (genannt "Motti"), doch wisse, dass das, was er mit Laura vorhabe, unkoscher sei. Ja, antwortet Mordechai, das wisse er. Dann sei es ja gut, sagt Gott. Und schweigt von da an.

Thomas Friedrich

Thomas Meyer: Wolkenbruchs wunderliche Reise in die Arme einer Schickse. Zürich 2014, 283 S., 10,90