CLIQUEN

Prügeln & Vögeln

Todd Wiggins schickt vier Irre durch die USA

Im modernen amerikanischen Unterhaltungsroman gibt es Essentials, die nie fehlen dürfen. Zum Beispiel: die zufällig zusammengewürfelte Clique, in der mindestens einer einen echten Dachschaden, einer literarische Ambitionen haben muß und, wenn's geht, der dritte unter einem stigmatisierenden Makel leidet.
Todd Wiggins hat mit Zeitgeist einen sehr amerikanischen Unterhaltungsroman geschrieben, der sich, salopp gesagt, liest wie Butter. Er packt die Probleme nicht zu tief an, hat eine recht rasante Handlung (eine Clique fährt von New York nach Kalifornien, jeder auf der Flucht, jeder aus anderen Gründen: ein irrer Priester mit geklautem Crack-Geld in der Tasche, eine Kampf-Lesbe, ein etwas zu klein geratener schwarzer Revolutionär und ein bisexueller englischer Poet - wie aus dem Lehrbuch!). Die drei streiten und versöhnen sich, diskutieren das Leben, prügeln und vögeln miteinander. In Rückblendekapiteln wird jede(r) vorgestellt, wenn das Buch beginnt, sind sie schon unterwegs.
Unabdingbarer Bestandteil solch eines Buches ist erstens die überlegene, souveräne Frau, zweitens aber auch die vergewaltigte Frau, die Rache nehmen muß. Diese Figur hat Wiggins außerhalb der Gruppe plaziert, es ist die Erzählerin. Von ihr erfahren wir, was so an Zeitcolorit nötig ist: Rassenkrawalle, die böse Politik, Beziehungsknatsch im Edelnuttenmilieu - das gibt's hier.
Der 30jährige Todd Wiggins, geboren in Ohio, lebend in England, ist kein dummer Schwätzer. Seine Helden sind witzig, traurig, altklug, sympathisch. Er verpaßt ihnen die nötigen Accessoires, um als mehr zu erscheinen, was sie sind (Schade nur, daß hier schon wieder einer über Computer schreibt, der keine Ahnung hat. Ein Hacker, der sich damit brüstet, "Dateien zum Absturz gebracht" zu haben, ist ein Blödmann). Aber sie haben kein Innenleben. Sie erklären sich über das, was was sie tun: Held Dorian zum Beispiel hat einen Roman mit dem Titel "Eine Theorie von allem" verfaßt, in dem ein junger Mann viel redet und leidet: "Der Höhepunkt der Handlung bestand im Selbstmord des Helden vor den Augen seiner Liebsten: Er schluckte eine Sprengladung, eilte in die Mitte des Speisesaals, rief sie zu sich und explodierte ihr ins Gesicht. Auf diese Weise würde er ihr ewig unvergeßlich bleiben ..." - ob wir damit wirklich was über Dorian erfahren haben (oder nicht vielmehr darüber, was Wiggings von bestimmten Romanen hält), ist eine Frage fürs Literaturseminar. Denn: es liest sich einfach gut.
Victor Lachner
Todd Wiggins: Zeitgeist. Aus dem Englischen von Thomas Piltz. Rowohlt, Reinbek 1999, 526 S., 45,- DM