LEGENDEN

Arthur revisited

T.H. Whites vier »King Arthur«-Romane in 1 Band

Die "Arthur"-Romane des englischen Satirikers T.H. White entstanden zur gleichen Zeit wie der "Herr der Ringe". Aber die zwischen 1939 und '41 zunächst einzeln veröffentlichten Arthur-Bücher sind ungleich witziger und klüger als Tolkiens putzig-dröger Magierbombast.
White fühlte sich einerseits der Arthur-Legende verpflichtet, so wie sie Thomas Mallory 1469 aufgeschrieben hatte, andererseits ist sein Arthur die durch und durch moderne Figur eines modernen Autors. Angelernt von einem etwas schusseligen Merlin (der quer durch die Zeit reist und daher einiges durcheinanderbringt), ist Arthur ein eher langsamer Lerner. "The Sword in the Stone", das erste Buch, handelt von Arthurs Kindheit. Merlin verwandelt Arthur in Tiere, um ihm so verschiedene Gesellschaftsmodelle zu präsentieren: das militärisch-hohle Reglement der Beiz-Vögel, den Ameisen-Faschismus, den Darwinismus im Karpfenteich. Arthur lernt: Macht darf nur dazu benutzt werden, um Recht durchzusetzen. Seine Tafelrunde ist ein pädagogischer Trick, um dem tumben Rittern im Land endlich eine Aufgabe zu verschaffen, die sie vom Jungfernschänden und Plündern abhält.
Kern der Tetralogie ist der 3. Band, "Der mißratene Ritter" ("The Ill-Made Knight"), der Lanzelot zum Helden hat, des Königs bester Freund und Geliebter der Königin. Arthur ahnt, dass die beiden was miteinander haben, aber es stört ihn nicht. Erst als der Skandal öffentlich gemacht wird, wird er zum handeln gezwungen und Opfer seiner eigenen Maximen - er muß die der Untreue überführte Königin verbrennen lassen (und freut sich diebisch, als Kumpel Lanzelot mit seinen Rittern auftaucht und die Königin quasi direkt vom Scheiterhaufen entführt; nach dieser Tat läßt Arthur erst mal eine gute Flasche Wein aus dem Keller holen).
Whites Arthur ist beides, Heldenlegende und wandelnder Anachronismus (seine Ritter sind bisweilen so wütend, dass sie einen Leserbrief an die "Times" schreiben würden, wenn es die schon gegeben hätte). Das Lanzelot-Drama des edlen Ritters, der ständig alles falsch macht, ist tief empfunden, die Abscheu vor Krieg und den Menschen allgemein ebenso; Mordreds Mannen, die Anhänger des bösen Arthur-Sohnes, läßt White wie Nazis aufmarschieren. Er kann seitenweise und detailverliebt mittelalterliche Waffen beschreiben, andererseits heiratet der dusselig-sympathische König Pellinore eine rundliche flandrische Prinzessin, die er (aber nur privat!) zärtlich "Piggy" nennt. Der König auf Camelot, wie alle vier Bücher zusammen nun heißen, ist ein großer satirischer Roman, erstmals 1958 als "The Once And Future King" veröffentlicht.
White hatte sich noch einen 5. Teil gedacht, der erstmals 1977 erschien, lange nach seinem Tod. "Das Buch Merlin" knüpft an das 4. Buch "Candle in the Wind" an, das am Vorabend der legendären "Battle of Camlan" (539) endet. Merlin entführt Arthur vor ein tierisches Tribunal, das über den Menschen zu Gericht sitzt. Dieser 5. Band, wohl 1941 verfaßt, ist der schwächste und rührendste Teil. Obwohl auch hier Witz und Esprit regieren, ist es ein eher philosophischer Essay über die Sinnlosigkeit allen menschlichen Strebens. Dass Arthur trotzdem eher optimistisch am Ende das Buch verläßt, ist einer der genialen Kniffe des Erzählers White. "The Book of Merlin" ist in dieser Ausgabe leider nicht enthalten.
Alex Coutts
T.H. White: Der König auf Camelot. Aus dem Englischen von Rudolf Rocholl und H.C. Artmann. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, 636 S., 25,- ISBN: 3608937137