Wissenschaft

Alles wackelt

Gavin Pretor-Pinney erforscht Wellenphänomene

Eigentlich hat er ja schon ein seltsames Hobby: Cloud Spotting. Der geradezu klassisch exzentrische Brite hat die Internationale der Wolkenverehrer gegründet und mehrere Bestseller über Wasserdampf in der Luft geschrieben, die so gar nichts meteorologisches haben. Nicht ausgelastet mit dem Bewundern der Vielfalt von Schäfchen und anderen Himmelserscheinungen, ist er dann erst ins flüssige Wasser und dann von Hölsken auf Stöksken gekommen. In Kleine Wellenkunde für Dilettanten schreibt er Lehrsames und Wunderliches über das geradezu universale Prinzip des regelmäßigen Wackelns.

Was Stringtheoretiker, Klangmasseure und Quantenverächter immer schon ahnten, bei Pretor-Pinneys Wellenweltreise wird es Gewissheit: Alles ist Schwingung, überall geht es hin und her, und während die Welle sich bewegt, bleibt das Wasser so ziemlich am selben Fleck. Aus diesem recht poetischen Paradoxon macht der Hobby-Universalgelehrte eine spannende Forschungsreise von den Surferparadiesen Hawaiis zu den Fußballstadien der Welt und der statistischen Analyse der La Ola, er steht auf Autobahnen in Staus, die sich aus dem Nichts ergeben und wellenförmig gegen die Fahrtrichtung ausbreiten, er verbindet den Herzschlag mit den Druckwellen, die eine Explosion erzeugen, und mit den Stoßwellen, die bei manchen Geschosstreffern viel mehr Schaden anrichten, als der pure Aufprall. Wo man hinguckt, wellt es, und sogar die Gezeiten, für die wir landläufig den Mond verantwortlich machen, wären ohne Wellenhilfe kaum wahrnehmbar. Überall finden wir plötzlich Wellenformen, Resonanzen, Interferenzen, Mitschwingeffekte, und sogar der seriös längst erledigte Rupert Sheldrake mit seiner "morphischen Resonanz" taucht wieder auf. Da schwingt irgendein feinstoffliches Feld derart, dass es seine Eigenart der Umgebung aufprägt und Ratten plötzlich schneller durch Labyrinthe finden, wenn man sie in der Nähe von Ratten hält, die das lange geübt haben.

Das ist vermutlich Quatsch, und Pretor-Pinney sagt zumindest dazu, dass die Wissenschaft da nicht mehr mitmacht.

Aber darauf kommt es eh nicht an, sondern mehr darauf, einen neuen Standpunkt zu beziehen, von dem aus die Welt vom Überschallknall bis zur kriechenden Schlange in einem neuen Licht (schon wieder eine Welle) erscheint.

Außerdem schreibt Pretor-Pinney amüsant und gibt eine ausführliche Literatur- und Linkliste dazu, damit sich jeder seinen Lieblingsbrecher zur weiteren Erforschung aussuchen kann.

Wing
Gavin Pretor-Pinney: Kleine Wellenkunde für Dilettanten. Aus dem Englischen von Michael Hein und Yamin von Rauch. Rogner & Bernhard, Berlin 2011, 348 S., 24,90