AFRIKA

Der letzte Imperialist

Evelyn Waughs Afrika-Besuch im Jahr 1931 wirft einen Blick auf zwei untergehende Reiche, das Äthiopische und das Britische Empire

Im Jahr 1931 reiste der irische Schriftsteller Evelyn Waugh, der später durch Wiedersehen in Brideshead berühmt werden sollte und der 1931 noch gar kein richtiger Schriftsteller war, nach Addis Abeba, um dort die Krönung des Ras Tafari zum Kaiser von Äthiopien zu beobachten.
Die ziemlich aufwendig betriebene Krönung lockte Diplomaten, Hofschranzen und Weltpresse gleichermaßen an. Einen "Negerkönig" mit Hermelin und Reichsapfel bewaffnet durch eine Kirche marschieren zu sehen - das muss damals so aufregend gewesen sein wie später Dianas Hochzeit.
Während alle Welt große Augen machte, hat Evelyn Waugh sich nicht amüsiert. Kurzfristig von einer englischen Zeitung als Korrespondent engagiert, findet er die eigene Klasse ebenso anödend wie die schwarzen Emporkömmlinge.
Was er später in Roman-Satiren wie Black Mischief und Eine Handvoll Staub karikierte, hat hier, in den Krönungsreportagen, seine Grundlagen. In einem Nachwort verweist Rainer Wieland darauf, dass Waugh zu den wenigen Reiseschriftstellern gehörte, die verreisten, um sich ausdrücklich nicht zu unterhalten (umso mehr allerdings ihre Leserschaft). Und: Die Reisen, die Waugh unternahm, hat er vielfältig und sehr effektiv in seinen Romanen verarbeitet.
Unter dem Titel Befremdliche Völker, seltsame Sitten sind diese Reportagen jetzt erstmals auf Deutsch veröffentlich worden. Als Reiseroman sind sie witzig, scharf in der Beobachtung, brillant formuliert; nichts weniger durfte man von einem Stilisten wie Waugh erwarten.
Gleichzeitig erstaunt das naiv-reaktionäre Weltbild Waughs, der hier, 1931, noch den englischen Imperialismus verteidigt, als Zeitgenossen wie George Orwell längst an dessen Abgesang schrieben. Geradezu rührend verteidigt Waugh etwa die harmlosen, rein landwirtschaftlichen Interessen weisser Siedler in Kenia: "Man mag ihren Versuch, ein Märchenengland am Äquator zu errichten, als weltfremd betrachten, aber man kann sie nicht als Piraten oder Landräuber hinstellen." Dass den "Eingeborenen" einst Unrecht widerfahren sein mag, darf laut Waugh, kein Grund sein, jetzt den weißen Siedlern Unrecht zu tun.
In Eichborns "Anderer Bibliothek" ist der Text, ergänzt um ein kurzes Nachwort, einer Zeittafel und Fotos der Krönung des großen Negus, in schöner Ausstattung erschienen.
Alex Coutts
Evelyn Waugh: Befremdliche Völker, seltsame Sitten. Expeditionen eines englischen Gentleman. Aus dem Englischen von Matthias Fienbork. Mit historischen Photographien und einem Nachwort von Rainer Wieland. Die Andere Bibliothek Eichborn, Frankfurt 2007, 327 S., 27,50