LEGENDEN

Reinrassige Drachen

Ein anderer Blick auf Michael Endes Erstlingswerk

Auf seiner Reise schilderte Charles Darwin die Begegnung mit einem schwarzen Jungen namens Jemmy Button. Dass dieser Jemmy Button nicht nur der Namensgeber für Michael Endes berühmte "Jim Knopf"-Erzählung gewesen sei, beschreibt Jila Voss in dem Buch Darwins Jim Knopf.

Da Michael Ende zur Entstehungsgeschichte seines Erstlingswerkes wenig gesagt hat, kann Voss nur indirekte Spuren einsammeln für den Beleg, dass Ende mit seinem Buch mehr wollte als nur Kinder zu unterhalten.

Alle Ende-Bücher sind ganz offensichtlich mit Botschaften an die Erwachsenenwelt versehen. Niemand würde Momo oder Die unendliche Geschichte für reine Kinderbücher halten. Voss hält "Jim Knopf" für Endes direkte Reflektion der Nazi-Zeit, in der er zur Schule ging. Der Bezug auf "reinrassige Drachen" im Buch sticht dabei ebenso ins Auge wie Endes Vorliebe für "Mischwesen" und den verschmitzen Verstoß gegen alles, was angeblich unumstößliches Gesetz sei. Bei den Nazis, kommentiert Voss, war ja sogar der Verstoß gegen die "Naturgesetze" mit Strafe versehen.

So arbeitet sich Voss mit munterem Tonfall und gut vorgetragenen Belegen (Ende erledigt nebenbei auch noch den Nibelungen-Mythos) zu ihrer Kernthese vor: Für den anthroposophischen Autor Ende war Darwin der Ursprung des Nazi-Übels. Das Postulat "Surviving of the fittest" bildete für Ende den Kern der Nazi-Verbrechen.

Dass Ende damit Unrecht hatte, tut für Voss und den Genuss an diesem Buch nichts zur Sache. Sie nähert sich dem Kinderbuch auf ungewöhnliche und kluge Weise. Weshalb man glatt wieder Lust bekommt, die beiden Jim Knopf-Bände (die urpsrünglich einer sein sollten) noch einmal zu lesen; zum vielleicht dann siebten Mal, und mit ganz anderen Augen.

Thomas Friedrich
Julia Voss: Darwins Jim Knopf S. Fischer, Frankfurt 2009, 184 S., mit zahlr. Abb., 17,95