VON GESTERN
Kurts Geschichten Buddhistische Nickerchen mit Kurt Vonnegut Als er noch nicht der Autor von Schlachthof 5 war und seine Brötchen bei General Electric verdiente, schrieb Kurt Vonnegut Kurzgeschichte für Zeitschriften. Das war gut bezahlte Arbeit; er bekam damals, sagt Vonnegut, für eine Geschichte so viel wie später für einen Roman. Vonnegut hat diese Geschichten nie ernst genommen. Er lobt sie als "buddhistische Nickerchen", die man einlegen konnte, als es noch kein Fernsehen gab. Sein Verleger Seymour Lawrence suchte die Storys zusammen, auf Deutsch ist eine gekürzte Ausgabe erschienen. Suche Traum, biete mich ist eine typische Vonnegut-Geschichte. Sie handelt von Amerikas Prosperität in den 50ern, aber auch von der Sehnsucht, dass es da noch ganz etwas anderes geben muß. Während im Clubhaus die vereinigte Industrie sich selbst feiert, steht draußen auf dem Golfplatz eine Frau und weint. Sie ist die Witwe eines versoffenen, genialen Jazz-Musikers, und obwohl Vonnegut kein Wort gegen den american way of life sagt, würden wir am Ende sämtliche Industrieunternehmen der Welt gegen ein Stück Jazz eintauschen. Zwei Kriegsgeschichten gehen einen ähnlichen Weg: die USA sind stolz darauf, Europa befreit zu haben. Aber irgendwas an diesem Krieg war seltsam und hat gebrochene Menschen hinterlassen: "Während der Großen Depression war Nathan Durant obdachlos, bis ihm die Army ein Zuhause bot. Er verbrachte siebzehn Jahre in der Army, betrachtete die Erde als Gelände, die Hügel und Täler als etwas, was man unter Dauerbeschuß nehmen konnte oder wo man bei Dauerbeschuß in Stellung gehen konnte, den Horizont sah er als etwas, vor dem sich ein Mann nie klar als Silhouette abzeichnen sollte, die Häuser und Wälder und Dickichte sah er als Deckung. Es war ein gutes Leben, und wenn er es satt hatte, kriegsmäßig zu denken, besorgte er sich ein Mädchen und eine Flasche, und am nächsten Morgen konnte er dann wieder kriegsmäßig ein bißchen weiterdenken." - diese Geschichte hat ein peinliches Ende. Aber dieser erste Absatz ist schon mehr als nur ein "buddhistisches Nickerchen". Er zeigt Vonneguts handwerkliches Können, mit wenigen Sätzen in eine Geschichte, eine Stimmung hineinzufinden. Und was er vom Kriegshandwerk eigentlich hält, steht auch drin. Vor allem sollte man Vonneguts Vorwort lesen. Wie das so ging mit seinem Leben, dem Schreiben, mit Amerika. Und dass jeder Schriftsteller immer nur für einen Menschen schreibt. Vonnegut sagt, er habe immer nur für seine Schwester Allie gschrieben. "Im wirklichen Leben war Allie sehr komisch. Das gibt mir die Erlaubnis, ebenfalls komisch zu sein. ( ...) Die Begrenzungen der Spielfelder, auf denen sich meine Kurzgeschichten und Romane abspielen, waren einst die Begrenzungen der Seele meiner einzigen Schwester." God bless you, Mr. Vonnegut. Alex Coutts
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Kurt Vonnegut: Suche Traum, biete mich Aus dem Amerikanischen von Harry Rowohlt. Hanser, München / Wien 2001, 253 S., 39,80 DM |