ERNÄHRUNG

Der Körper ist klüger

Vitamine sind hip, aber nicht immer gesund

Es gibt ja den Volksglauben, dass man gar nicht genug Vitamine zu sich nehmen könne. Und dass die wesentlichen Zivilisationskrankheiten mit ausreichender Vitamingabe in den Griff zu kriegen seien. Warum haben Hunde keinen Herzinfrakt? - Weil ihr Körper Vitamin C produzieren kann! lautet eine der populistischen Sentenzen der Vitaminfans.
Nun ja, sagen die Journalisten Hans-Ulrich Grimm und Jörg Zittlau, erstens ist das nicht wahr (Hunder erkranken sehr wohl an Herzinfarkten), und zweitens wenn doch, könnte es daran liegen, dass Hunde weniger Alkohol trinken und nicht rauchen.
Vitaminschock heißt das Buch von Grimm und Zittlau, wo sie die meisten Urteile über Vitamine überprüfen, in dem sie vor allem aus einschlägigen wissenschaftlichen Studien zitieren. Vitamin C schützt vor Erkältung? - das ist nicht erwiesen. Beta-Karotin ist gut für Raucher? - es gilt eher das Gegenteil. Multivitaminpräparate sind hilfreich und auf jeden Fall unschädlich? - reines Wunschdenken!
Weil Vitamine eben doch in Überdosierung schwere Schäden anrichten können - von der Gefühlstaubheit (=Neuropathie) bis zur Osteoporose (=Knochenschwund) - können auch die vielen bunten Pillen, die inzwischen in jedem Supermarkt zu haben sind, durchaus Folgen haben. Weil nämlich unsere Nahrung, von der Vitamin C-behandelten Salami bis zu Kartoffelchips, bereits jede Menge zugesetzter Vitamine enthält, kommt es leicht zu Überdosierungen. Außerdem macht es einen großen Unterschied, ob man Vitamine in ihrer "natürlichen" Form in Form von Obst, Gemüse oder Fleisch zu sich nimmt oder in der von der Nahrungsindustrie labortechnisch erfummelten Kunstversion.
In unserer satten West-Welt ist es sowieso schlechterdings unmöglich, unter Vitaminmangel zu leiden - wenn man sich vernünftig ernährt und nicht zu einer Risikogruppe gehört.
Statt der teuren Pillen und Pülverchen, die inzwischen tonnenweise in Europa und den USA umgesetzt werden, empfehlen die Autoren: lieber täglich eine Knoblauchzehe, einen Apfel und eine Tomate essen. Und Dosen- und Fertigfutter meiden. Und grundsätzlich einfach mehr das essen, wonach der Körper verlangt. Der ist nämlich klüger als die Nahrungsmittelindustrie und Vitaminlobby glauben machen wollen und schützt sich durch Heißhunger oder Ekelgefühlen vor Unterversorgung oder Überdosierung.
Das bereits erhältliche Vitamin C-getränkte T-Shirt, das seine Stoffe über die Haut an den Körper weitergibt, kann man sich also ebenso sparen wie die teuren "Q 10"-Produkte, die zur Zeit in Mode sind.
Erich Sauer
Hans-Ulrich Grimm, Jörg Zittlau: Vitaminschock. Die Wahrheit über Vitamine: Wie sie nützen, wann sie schaden. Droemer, München 2002, 272 S., 19,90 EU ISBN: 3426272504