AMERIKA
Die Pentagon-Junta
Aufsätze von Gore Vidal
Dass Vidal ein Autor von Weltruhm ist, hilft ihm nicht mehr viel: Er hat inzwischen große Probleme, seine Aufsätze und Statements in us-amerikanischen Medien unterbringen zu können. Bei einem Live-Interview mit ABC zog der Moderator einfach den Stecker, bevor Vidal seine Meinung zu den Hintergründen des Oklahoma-Attentates sagen konnte. Auch Teile des Buches Ewiger Krieg für ewigen Frieden - Wie Amerika den Hass erntet, den es gesät hat erschienen zunächst im Ausland. Vidal befaßt sich hier nur am Rande mit dem Twin Tower-Anschlag vom 11. 9. 2001, was er zu Terrorismus, Staats-Terrorismus und der "Pentagon-Junta" gesagt hatte, mußte er nach dem 11.9. nicht korrigieren. Denn schon unter Clinton wurden, nach dem Oklahoma-Anschlag, die Bürgerrechte eingeschränkt, die Polizeibefugnisse uferlos ausgedehnt. Nachdem der Kommunismus Ende der 80er "so feige das Handtuch geworfen hatte", war man dringend auf einen neuen Feind angewiesen - den Terrorismus.
Die Verteufelung des Islam begann lange vor dem 11. September, das Militär hatte bereits seine milliardenteure Wunschliste präsentiert und, man wird sich erinnern, George Bush II. hatte schon vor dem 11.9. "Star Wars", den "Ronald Reagan Gedächtnis-Schutzschirm" (Vidal) wieder aufleben lassen.
Gut die Hälfte des Buches befaßt sich mit dem Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh und dem FBI-Angriff auf die Davidianer-Sekte in Waco, Texas, bei dem 80 Menschen ums Leben kamen. Für Vidal geht es nicht darum, McVeighs Tat zu rechtfertigen, sondern seine Motive zu verstehen, denn McVeigh hat seinen Anschlag auch als "Antwort auf Waco" bezeichnet; nebenbei bezweifelt Vidal, dass McVeigh wirklich der alleinige Attentäter war.
Amerika, so behauptet Vidal, gibt für seine "Verteidigung" jetzt schon 22mal mehr aus als seine sieben "Haupt-Feinde" (Syrien, Cuba, Nordkorea, Irak, Iran, Libyen, Sudan) zusammen; für's laufende Jahr hat Bush noch mal 35 Milliarden draufgelegt. Zusammen gesehen mit der Einschränkung der Bürgerrechte, der Willfährigkeit der Medien und dem Erstarken der religiösen Rechten sieht Vidal in den USA eine Theokratie entstehen, gesteuert vom Pentagon, das in Bush einen gläubigen Deppen gefunden hat: "Die mit unseren Angelegenheiten betraute Pentagon-Junta programmierte ihren Präsidenten, uns gegenüber die Erklärung abzugeben, bin Laden sei ein 'Schurke', der uns unsere Freiheit, unseren Wohlstand und die Tatsache, dass wir die Guten sind, neidet."
Die Fronten verlaufen inzwischen durchaus überraschend: Der "J.R.ö-Darsteller Larry Hagman, in der öffentlichen Wahrnehmung ein Musterbild des reaktionären Republikaners, outete sich kürzlich als Vidal-Kumpel. Für Hagman hat das jetzige Bush-Amerika durchaus Ähnlichkeit mit der alten Sowjetunion. Und George Bush jr. hält er einfach für einen Deppen.
Erich Sauer
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