Trinker

Wochenende, bodenlos

Einer der tiefsten Alkohol-Romane wurde neu aufgelegt

Don Birnham ist schon am Anfang am Ende. Der junge Schriftsteller sieht keine Chance mehr auf Ruhm und will nur noch seine Ruhe haben. Und seine Flasche. Wenn er nur wüsste, wo er sie versteckt hat, damit sein Bruder sie nicht findet! Als einer der letzten Menschen kümmert der sich noch um Don, lässt ihn bei sich wohnen. Nur mühsam gelingt es Don, seinen Fürsorger für ein Wochenende in Kurzurlaub zu schicken. Heldenhaft gibt er sich kontrolliert und ungefährdet, damit der gute Bruder auch einmal etwas Erholung hat. Jedenfalls redet sich Don das so ein, wie der Autor Charles Jackson ihn das ganze Buch über in teils glänzender, teils verblendeter, subjektiver Prosa sich selbst immer tiefer ins Glas schreiben lässt.

Das vor allem packt: Die Hellsichtigkeit des Trinkers bei der Selbstzerstörung, der fliegende Wechsel von kreativem Rausch und Demütigung. Zwischen Allmachtsfantasien und gequälter Ironie über die eigene Erbärmlichkeit führt Don eine Fallstudie vor, die gar nichts mit dem dummen Alltagsbild stumpfer Säufer zu tun hat. Don plant, befeuert von den ersten Schlucken Whisky, einen großen Roman, traut sich, enthemmt von den nächsten, immer genialere Würfe zu, und scheitert eben nicht an der Bewusstlosigkeit am Ende der Flasche, sondern an der Einsicht, ein Versager zu sein. Schon immer. In Allem. Und schon hat er, leicht verzerrt gesehen durch den näher kommenden Boden der Flasche, eine neue Einsicht, einen Abgrund, um weiter zu trinken.

Charles Jacksons Roman Das verlorene Wochenende erschien 1944. Alfred Hitchcock wollte ihn sofort verfilmen, Billy Wilder war schneller, und obwohl Alkoholindustrie und Abstinenzlerbewegung gegenläufige Einwände hatten, gewann er vier Oscars. Charles Jackson starb 1968 an einer Überdosis Seconal.

Wing

Charles Jackson: Das verlorene Wochenende Aus dem Amerikanischen von Bettina Abarbanell. Mit einem Nachwort von Rainer Moritz. Dörlemann Verlag, Zürich 2014, 352 S., 24,90