DROGEN & WAHRHEIT

»Gögre, gögre«

Wie man im Urwald der Weltverschörung auf die Spur kommt

Der junge Reporter berichtet sonst über Hundefrisuren. Jetzt hat ihn sein Chef in den brasilianischen Dschungel geschickt, in die Nähe des Rio Negro, um über Natur-Drogen zu berichten. Gleich bei seiner Ankunft verfällt er der schönen Serena, halb weiß, halb schwarz, halb Dänin, halb Indianerin, die sich mit Drogen auskennt wie keine Zweite und den jungen Mann täglich neue Köstlichkeiten ausprobieren lässt, auf Serenas Matratze, wo sie auch Sex haben und wo Serena beim Orgasmus "Gögre, gögre" macht, was alle Däninnen tun. Sagt Serena. Die übrigens keine Daumen hat, was irgend etwas mit einer Sekte und einem italienischen Heiligen zu tun hat.
In die Kneipe flieht der Held, um sich von den Exzessen mit Serena zu erholen (und wo ihm der Wirt Fruchtsäfte serviert, die einen klaren Kopf machen sollen; die Kapitel des Buches sind nach den Fruchtsäften benannt). Dort trifft er auf einen riesenhaften, rothaarigen Polen, der andauernd besoffen ist. Und dieser Pole erzählt nun, gegen freie Schnäpse, die der Wirt kopfschüttelnd serviert, dem jungen Journalisten von der "Meierhoff"-Verschwörung. "Meierhoff" sei eine Gruppe von 17 Menschen, die bestimmten, was auf der Welt geht und was nicht. Er, der Pole, habe als Killer für diese Gruppe gearbeitet und einen Arzt ermorden müsse, der etwas getan habe, was man nicht tut, wenn man für die Gruppe arbeitet: Er hatte ein Gewissen entwickelt...
Meierhoffs Verschwörung ist ein wunderbar durchgeknalltes Buch des Brasilianers Luis Fernando Verissimo (selbst der Name klingt wie eine Fälschung), der hier souverän mit den Bausteinen der Abenteuertradition und des Thrillers jongliert. Denn natürlich denkt der junge Mann, (wie wir Leser), dass das ein herrlicher Bockmist ist, den der Pole (eine wunderschöne Verbeugung vor Joseph Conrad) da erzählt. Andererseits interessiert sich plötzlich die Chefetage der Zeitung für seine Story und erhöht ihm die Spesen. Und möchte Fotos des Polen. Ein seltsamer Mann taucht im Dorf auf, und plötzlich geht es in der Geschichte auch um eine junge Skandinavierin, die keine Daumen mehr hat...
Für all das braucht Verissimo keine 160 Seiten. Trotz der knappen Seitenzahl ist der Tonfall ruhig, souverän, präzise. Eine Bar, brütende Hitze, eine gute Geschichte, ein bißchen Drogen und ein bißchen Sex: Kein Grund, die Ruhe zu verlieren. Auch wenn der Weltuntergang vor der Tür steht.
Victor Lachner
Luis Fernando Verissimo: Meierhoffs Verschwörung Aus dem Portugiesischen von Barbara Mesquita. Droemer, München 2006, 154 S., 14,90 ISBN: 3426197200