PHILOSOPHIE
Opas Utopias
Ein schlechter Roman über die beste aller Welten
Das Ansinnen ist ehrenhaft, der Gestus klassisch, die Durchführung zum Haareraufen. Steven Lukes ist Politik-Professor in Florenz, was in der anglo-romanischen Mischung von Herkunft und Dienstsitz erstmal durchaus interessant klingt. Und wenn ein weltgelehrter Dozent nach Aufenthalten in Oxford, Paris, New York, Mexiko City, Jerusalem und Johannesburg seine multikulturellen Erfahrungen auf 315 Seiten bündelt, könnte das sehr wohl spannend werden.
Wenn er nicht eine Geschichte erzählen wollte. Von einem weltfremden Professor, der in irgend einem militärdiktierten Land plötzlich ganz praktisch für seine theoretischen Vorlesungen in den Knast kommt. Und von der ganz unrealistisch intellektuell interessierten Guerilla wieder herausgeholt wird: um eine Forschungsreise zu den Gesellschaftmodellen zu unternehmen, die andere Länder mit anderen Sitten im von Lukes ausgedachten Sandkasten vorleben.
Den unmodernen Diskurs über denkbare Alternativen zum Bestehenden aber durch das noch unmodernere Drama eines bestenfalls ideologie-touristischen Weltumseglers zu ersetzten, nimmt jede mögliche wirkliche Aufregung gleich heraus. Professor Caritats Reise durch die Utopien ist sogar für einen Hirnfick zu ausgedacht - und leidet andersherum an störend läppischer Praxis.
Mal denkt der Romanheld sich tief - und handlungsunnütz - durch die Geistesgeschichte (Diderot sagt, "Dankbarkeit" wurde erst im 16. Jahrhundert eine gesellschaftliche Kategorie - und veraltete schon wieder im 18.) - und gleich darauf wird er müde oder sucht das Buffet. Mal rennt Caritat hechelnd dem Zug zur Freiheit hinterher - und schreibt dann vertrackte, verwackelte Notizen über Utilitarismus, Kommunitarismus und andere radikale -Ismen. Hier ist die nutzenoptimierte Präsidentin, die Abtreibung zur Staatsangelegenheit erklärt, ein vollendeter Gastgeber - dort eine börsengängige stolz darauf, sogar das Wort "sozial" beim Vermarkten aller Lebensbereiche abgeschafft zu haben.
Frauen kriegen bei Lukes überall Oberwasser - und Philosophen immer lange Zitate. Kant, Condorcet, Pope, Hume, Rousseau ... Aufklärer allesamt, werden auf Hauptseminar-Niveau in Bauklotz-Szenen durchgespielt ... mit einem Ergebnis, das so ähnlich schon in Sofies Welt feststand: jede absolute Idee ist nicht gut für das Leben. Ach?
Lukes Buch gehört durchaus in die Reihe großer Utopien (von Platons Staat bis etwa Skinners Walden II), als Satire gebührt ihm sogar ein Ehrenplatz unter den Drögen, aber als Roman taugt er nur so viel wie die: gar nicht.
WING
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