Therapie

Sucht nach Unglück

Ein Mann erzählt von seinem Leben im Therapiedschungel

In vier Kapiteln schleppt der Protagonist Johannes Lohmer den Leser durch die Praxen jedes Psychologen und jeder Psychologin. In Hamburg, Berlin, ja sogar in einem indischen Aschram sucht er nach Hilfe. Und das seit er 17 ist. Dabei beurteilt der Schriftsteller die aufgesuchten Hilfskräfte nach den unterschiedlichsten Kriterien: Aussehen, Sprache, Einrichtung der Behandlungsräume. Er entwickelt eine fast unstillbare Sucht nach mehr Hilfe, besucht täglich mehrere Therapeuten. Er ist auf einem regelrechten Angstmarsch, er kann es nicht ertragen, wenn es ihm gut geht. Sobald er Erfolg hat, muss ihm zum Ausgleich auch etwas Schlechtes passieren.

Hinzu kommt, dass ihm jeder Therapeut etwas anderes erzählt. Was auch daran liegen mag, dass es Lohmer unmöglich ist, immer das gleiche zu erzählen. Deshalb schwindelt er. Er sortiert aus, was er erzählt, um herauszufinden, ob seine eigenen Einschätzungen des aktuellen Psychologen stimmen. Lohmer ist es eigentlich egal, was ihm erzählt wird. Er weiß schon alles.

Es ist schwer, einen Roman nicht gelungen zu finden, wenn Sibylle Berg auf dem Einband enthusiastisch zitiert wird: "Lottmann ist einer der am meisten unterschätzten Schriftsteller Deutschlands, beneidet ob seines grandiosen erzählerischen Talents." Was ihm auch niemand streitig machen möchte, schließlich hat er im letzten Jahr den Wolfgang-Koeppen-Preis erhalten. Den bekommt man ja nicht einfach so zugesteckt.

Doch Unter Ärzten zieht sich entsetzlich. Es ist fast so, als würde man jede Sitzung nacherleben, die Lohmer durchgemacht hat. Relativ schnell ist klar, welches Problem ihn plagt, und dann nimmt er einen mit auf diese Reise durch sein Leben, die so langweilig ist, dass man sich nochmal überlegt, selber einmal einen Therapeuten aufzusuchen, weil man das aus irgendeinem Grund mal spannend gefunden hätte.

Sacha Brohm
Joachim Lottmann: Unter Ärzten, Kiepenheuer & Witsch, Köln 2011, 272 S., 8,99