UFOS

Tassen im Schrank

Die unaufhörlichen Flunker-Objekte dringen jetzt schon in den Mainstream vor

Vor vielen Jahren bereits schrieb Sidney Sheldon, der Konsalik Amerikas, ein Untertassen-Garn fürs Illustrierten-Publikum (in Deutschland tatsächlich in der Bunten vorabgedruckt, oder war's Cosmopolitain?) - aber da gab es den Trend noch nicht, und außer einer Episode im Ostwestfälischen (wo Hitlers Alien-Freunde einen unterirdischen Flugplatz unterhalten) war kein origineller Gedanke drin. Inzwischen bessert sich die Lage etwas.
Zum Beispiel hat Jürgen Kehrer, Lokalkrimi-Matador aus Münster mit 12 Titeln in 8 Jahren, jetzt Irgendwo da draussen geschrieben; nach Flüchtigkeitsfehlern und zeitnahen Anspielungen (A-Klasse, BVB-Pech...) zu schliessen, vor knapp einem Monat. Serien-Detektiv Wilsberg ermittelt in einem Selbstmord wegen Alien-Entführung. Die Wahrheit ist natürlich diesseitiger, aber die atmosphärischen Einsprengsel (skrupellose Therapeuten deuten Mißbrauchs-Traumen als UFO-Folgen, oder umgekehrt) sind dafür auch richtig recherchiert. Mit der altklugen Analyse ("Patientinnen entwickeln Krankheitsbilder, um ihren männlichen Ärzten zu gefallen") sollte er mal bei der örtlichen Frauengruppe vorsprechen. Das gäbe einen spannenderen Kriminalfall. Aber als Trend-Aufhupferl geht das schon so in Ordnung.
David Bischoff wagt gleich einen Dreisprung. Seine Trilogie Die Ufo-Verschwörung bedient alle neueren Gesellschaftsroman-Standards (incl. Psycho-Killer und Oral-Sex zwischen weiblichem Leutnant und älterem Zivilisten-Held) - und verdreht das Verschwörungsszenario eine Ecke weiter: die härtesten UFO-Kritiker werden vom Geheimdienst gesteuert - und liquidiert, wenn sie anfangen, den Unsinn doch zu glauben. Das Militär fälscht alle offiziell geleugneten UFO-Entführungen zu Desinformationszwecken selbst. Und die echten E.T.s retten ihren scheinbaren Gegner vor seinen irrtümlichen Freunden. Oder so ähnlich. Oder waren es doch eher die Templer? Zu kompliziert für Illustrierte, und viel spannender als Sheldon. Nur: in wessen Auftrag?
Nick Pope arbeitete wirklich im Auftrag der Regierung. 3 Jahre lang schichtete er unter John Major die britischen Ufo-Akten um (die es, sagt Pope, eigentlich gar nicht gibt). 2 Jahre nach seiner Wegbeförderung schrieb er Die Ufo-Akten. Nochmal 2 Jahre später kriegen wir sie jetzt, ohne einen Update-Anhang, ohne Erklärung, was Popes Nachfolger taten ... das ist schlecht.
Nick Pope hat nie ein Ufo gesehen, er hat, als einziger offizieller Ermittler, immer engen Kontakt zu den "Spinnern" gehalten, und inzwischen hält er sich für den "echten Fox Mulder" (den es zu seiner Amtszeit allerdings noch nicht gab). Er hat die üblichen schlechten Fotos, er kolportiert viele längst bekannte Gerüchte, aber er hat auch ein paar bisher weniger verbreitete Anekdoten aus der britischen Szene (etwa rund um die Kornkreis-Hysterie). Und er glaubt zwar, daß es eine untersuchenswerte "potentielle Bedrohung der nationalen Sicherheit gibt", ist aber immer noch skeptischer als die meisten. Allerdings auch gegenüber den "normalen" Gegen-Beweisen. "Radarstationen" etwa, erläutert Pope kenntnisreich, können prinzipiell nur aufzeichnen, was sie suchen. Und "Kugelblitze", die immer noch zuweilen als "physikalische" Erklärung komischer Phänomene dienen, sind ja wirklich auch bloß eine theoretische Annahme - und streng genommen genauso unbewiesen wie Ufos. Das ist gut.
Mmh, wenn ich ein Ufo wäre, würde ich Pope wählen. Und wenn ich seine Tantiemen hätte, würde ich seine Nachfolgerin im Verteidigungsministerium der Königin anrufen.
WING
Jürgen Kehrer: Irgendwo da draussen Dortmund: grafit 1998, 198 S., 14.80 DM
David Bischoff: Die UFO-Verschwörung. Entführt. Getäuscht. Enthüllt München: Heyne 1998 [10530/31/32], je ca. 400 S., 14.90
Nick Pope: Die UFO-Akte Mit einm Vorwort von Timothy Good. München: Knaur 1998 [77310], 347 S., 14.90 DM