Trauer

Lebenshilfe

Anne Tyler tröstet einen einsamen Witwer

Vom ersten Satz an schwebt der Roman ein bisschen neben der Spur. Aarons Frau ist tot. Und wieder da. Und eigentlich wundert sich Aaron nur darüber, wie gelassen seine Umwelt damit umgeht. Die Nachbarn gucken etwas komisch, wenn das wiedervereinte Paar ihnen beim Spazierengehen begegnet, sagen aber nichts. Fast ist es, als übersähen sie Dorothy, die immer wieder mal auftaucht und verschwindet.

Aaron richtet sich derweil als Witwer mit Gesprächsbedarf in seiner Trauer ein und führt sich auf, als hätte er die Selbsthilfebücher, die sein Verlag heraus gibt, nicht gelesen. Er isoliert sich, er streitet mit den anderen, die seinen Schmerz nicht spüren können, er findet es beleidigend, dass andere glücklich werden, er klaubt sich kleine Momente der Normalität mit seiner Dorothy zusammen. Und er erzählt uns rückblickend, wie sie sich fanden und wie glücklich sie waren. Oder waren sie doch nicht so glücklich? Reden sie erst jetzt richtig miteinander?

Der Trauerkurs hätte furchtbar kitschig werden können, wenn Anne Tyler ihren Geist nicht so lakonisch führte und Aaron nicht zuweilen weise komisch würde: "Das Schlimmste, wenn man seine Frau verlor, war meines Erachtens, dass die Frau ja eigentlich diejenige war, mit der man über den Verlust und alles hätte reden wollen." Oder: "Einen Ehepartner verlieren ist doch kein Hobby, das man teilen könnte." Aber da ist Aaron schon fast fertig mit seinem Kurs und Anne Tyler schüttet schnell noch ein paar Seiten ganz normales Familienleben aus. So dass man das Happy End fast nicht bemerkt.

Wing

Anne Tyler: Abschied für Anfänger. Aus dem Amerikanischen von Christine Frick-Gerke. Zürich, Kein & Aber 2012, 238 S., 20,50