FERNSEHEN

Im Kasten

Der Ex-»SAT 1«-Chef Roger Schawinski in der »TV-Falle«

Ottfried Fischer trinkt gern viel, Alexander Kluge ruiniert das Privatfernsehen, internationale Finanzheuschrecken ruinieren das Privatfernsehen noch mehr, aber Roger Schawinski hätte es beinahe mal gerettet.
Das ist die kurze Lehre aus der Abrechnung des ehemaligen Senderchefs, der von 2003 bis 2006 SAT 1 vom eher belächelten "Bällchensender" zu einer profitablen Programmmaschine machte. Darauf ist Schawinski sehr stolz, weniger darauf, dass Haim Saban, dem SAT 1 gehörte, den Laden dann mit riesigem Gewinn verkaufte.
Irgendwie wollte Schawinski wohl beides, Qualität und Quote, erträgliches Fernsehen für die Masse und ein einträgliches Werbeumfeld für die Kasse. Ausführlich erklärt er etwa, mit welchen Managementmethoden man Sendungen und ihre Sendezeiten plant. Diese Kapitel seines Buches könnten glatt Schulstoff im Fach Medienkunde werden. Oder in BWL-Seminaren, denn im Ergebnis kann man auch mit mieser Quote viel Geld verdienen, wenn nur die Sendungen billig genug sind.
Ebenso ausführlich erzählt er auch Dönekes von schwierigen Stars und ihren Allüren (Fischer, Engelke, Neldel) oder schwierigen Regisseuren, die lieber Kunst als Quote machen wollten.
Und am ausführlichsten bemäkelt er die Konkurrenz. Dass die Öffentlichrechtlichen ihm mal ein Fußballspiel wegkauften oder den ganzen Tag mit Telenovelas zukleistern, findet er eine Frechheit. Oder dass Staatsverträge die Privatsender zwingen, zu überhöhten Kosten Spiegel-TV, Planetopia oder Alexander Kluges Minderheiten-Shows zu senden. Da nennt er Namen und Zahlen und macht sich bei Medienpolitikern herzlich unbeliebt.
Am liebsten schreibt Schawinski über Schawinski. Wie er die 'Vorabend-Serie "Verliebt in Berlin" zum Phänomen machte - und die Verlängerung der Telenovela zur Daily Soap zum Flop. Wie er bei Haim Saban im Wohnzimmer steht und bei Otti Fischer im Bierzelt. Wie er Wolfgang Schäuble die Erlaubnis abluchste, eine Serie "GSG9" zu nennen. Dass die Serie furchtbar war, schreibt er lieber nicht. Auch nicht, warum sein Buch eigentlich Die TV-Falle heißt.
Ist er hineingetappt oder gerade noch mal entkommen? Stecken wir jetzt drin? Oder ist gar das ganze Fernsehen am Markt dem Untergang geweiht, seit er nicht mehr mitmacht? Schawinski deutet sowas an: Die kalkulierbaren Nutzergruppen werden immer kleiner, die Marktanteile sinken beständig, das Privatfernsehen, orakelt er am Ende, wird sich in den nächsten fünf Jahren stärker verändern, als in den 20 Jahren zuvor.
Wenn das stimmt, wäre ja sonst gar nichts aus seinem Buch zu lernen. Blöde Falle.
wing
Roger Schawinski: Die TV-Falle. Vom Sendungsbewusstsein zum Fernsehgeschäft. Kein & Aber, Zürich 2007, 256 S., 29,80