TÜRKEN

Was glaübst dü?

Kerim Pamuk macht anti-anatolische Meta-Scherze

Die ärgsten Kritiker der Kameltreiber waren früher selber welche ... ungefähr so missglückt wie dieser Eingangsscherz - und mindestens so abhängig von westeuropäischen Wissens- und Witz-Mustern - ist Kerim Pamuks Abrechnung mit der Muselmanie hierzulande. Sprich langsam, Türke ist eine Fundgrube für jedes Klischee, das man über halb-assimilierte Anatolen nur haben kann. Oder neu kriegen möchte. Und enthält als ironisch-ernstgemeinten Vorschlag zur Integrationsbeförderung nur den Hinweis, den TürkSat-Satelliten endlich abzuschiessen.
Oder ist es schon ein Fortschritt, dass ein hiesiger Türke seine exterritorialisierten Landsmänner - vor allem die mit Bart - zum Larry macht? Deutsche dürften derlei Türken-Witze nie erzählen; Deutsche, die Türken kennen, finden es eher peinlich, dass die sich plötzlich über genau die Vorurteile lustig machen, die wir eh schon hatten ... Andererseits: ohne Kerim Pamuk hätten wir nie vermutet, dass halbassimilierte Jungtürken das Ausspucken auf offener Strasse als Volkskultur pflegen.
Lassen wir den wirtschaftlich aufstrebenden, öffentlich Unterprivilegierten also ihre eigene Form der Selbstverarschung. Es kann ja nicht Knobibonbon, Django Asül und Kaya Yanar schon alles gewesen sein. Und warum sollen unsere anatolischen Mitbürger nicht ihren eigenen Bierbaum/Kishon/Loriot haben? Dass unsere noch etwas besser im Pointenbehandeln sind, bitten wir nicht als Kulturimperialismus zu verstehen.
WING
Kerim Pamuk: Sprich langsam, Türke. Mit Zeichnungen von Sybille Heim. Edition Nautilus, Hamburg 2003, 119 S., 12,90 ISBN: 3894014105