Technikgeschichte Visionäre von gestern Die Geschichte von gescheiterten Tüftlern, Bastlern und echten Genies Auch die Technikgeschichte ist eine, die von den Siegern geschrieben wird. Wir alle glauben heute, dass Microsoft der Erfinder des PC-Betriebssystems DOS war (in Wahrheit waren das Digital Research und eine kleine Firma namens Seattle Computers Products, deren "Q-DOS" von Bill Gates aufgekauft und für IBM lizensiert wurde). Wir glauben auch, dass die Gebrüder Wright den ersten motorgetrieben Flugapparat bauten, der einen Menschen tragen konnte. Dass dies in Wahrheit Jahre vor den Wrights dem Deutschamerikaner Gustav Weißhaupt gelang, steht in der schönen Geschichtensammlung Verkannte Pioniere. Abenteurer. Erfinder. Visionäre von Armin Strohmeyr. Weißhaupt wurde dabei nicht nur Opfer der PR, die Wright-Erben schlossen mit der staatlichen Smithonian Institution einen Vertrag, wonach es verboten war, jemand anderes als die Wrights als die "Urheber" des bemannten Fluges zu nennen; dass die selbst zwischen 1901 und 1903 mehrfach Weißhaupts Werkstatt besucht hatten, spielte da schon keine Rolle mehr. Es geht dabei nicht nur um die bekannten Geschichten und historischen Figuren (wie etwa den Erbsenzähler Mendel oder den Erfinder der Hygiene, Jenner), es geht auch um moderne Variationen. Etwa um die Wissenschaftlerin Rosalind Franklin, die von ihren Kollegen Watson und Crick ausgebootet wurde und niemals für ihren Anteil an der Entdeckung der Doppelhelixstruktur der DNA gewürdigt wurde. Es geht um Richard Trevithick, den Erfinder der Hochdruck-Dampfmaschine, der sich in einem Patentstreit mit James Watt aufrieb und der die Idee für die Dampflokomotive entwickelte - die dann die Konkurrenz baute. Der Erfinder der Schreibmaschine scheiterte ebenso an der Dummheit der Bürokratie wie der Erfinder des Laser, dessen Patentschrift abgelehnt wurde, da sie offenkundig nichts Neues enthalte. Selbst eine offenkundig sinnvolle Erfindung wie das Radar wurde seinerzeit von einer bornierten Militärbürokratie verkannt: Für das eingereichte Radar-System habe man keine Verwendung, da mit der Signalgebung per Horn ein viel besseres System zur Verfügung stehe. Kein Wunder, dass diese Herren nicht mal den Krieg gewinnen konnten, den sie kurze Zeit später vom Zaun brachen. In präzisen, engagierten Kurzbiografien erzählt Strohmeyr, warum und woran man im Leben scheitern kann und warum Verstand ohne Geschäftssinn oft ins Elend führt. Das berühmteste Beispiel hierfür ist wohl Nicolaj Tesla, dessen Kopf die Welt veränderte und dessen fehlender Geschäftssinn ihn um die Früchte seiner Arbeit brachte. Kleine Fehlformulierungen (er war "klamm bei Kasse") stören dabei den Lesefluss von Strohmeyrs Geschichten nur selten. Ein kurzer Quellenapparat am Ende des Bandes reizt zur Fortsetzung der Lektüre. Erich Sauer
Armin Strohmeyr: Verkannte Pioniere. Abenteurer. Erfinder. Visionäre. Styria, Wien / Graz / Klagenfurt 2013. 304 S., mit zahlr. sw-Abb., 22,99
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