PUNK-HISTORY

Rauf- und Saufgeschichten

»Die Toten Hosen« erzählen alte Dönekes

Altbier, Fortuna und die Toten Hosen - wer nach der Sperrstunde einem Düsseldorfer Lokalpatrioten zuprostet, bekommt garantiert diese Trias an rheinischen Kulturgütern zu hören. Während aber das dunkle Gebräu und die rotweißen Kicker fern der Stadtgrenze wenige Fans haben, sind die Toten Hosen weltweit beliebt. Ein Rätsel, das die Altbier-Punks hier höchst persönlich aufklären wollen.
Tatsächlich entstand die Opel-Gang laut Campino einfach aus Zufällen, wenig Talent und der Inzucht einer viel zu engen Punk-Szene. Ihr herausragendes Merkmal war von Beginn an ihr stumpfer Pragmatismus: So geben die immer populäreren Hosen schon 1982 den Punker-Grundsatz auf, sich als Band nicht von den Fans abzuheben. Die Zuschauer wollen Stars? Sie bekommen Stars. Was später wohl auch die knallbunte Garderobe der Rampensau Campino erklärt.
Mit dem halbernsten Vorhaben, die Hitparaden immer wieder mit Hosen-Singles vollzustopfen, werden auch schon mal vier Songs an einem Nachmittag aufgenommen und gepresst.
Dass die damalige Musikjournaille den Punk und damit auch die Hosen schon wieder ad acta legen wollte (Ultimo schrieb 1986 immerhin: "Teeniepunk mit Drang zu Höherem") wird einfach ignoriert. Auf Ochsentouren zwischen den Alternativ-Zentren von Schwindkirchen bis Espelkamp räumen die Toten Hosen - fälschlicherweise oft als Die Toten Hasen angekündigt - die Szene dann richtig auf: Immer laut, immer schnell, immer auf voller Spannung.
Künstlergehabe stört da nur, weswegen Gitarrist Kuddel als vermeintlicher Virtuose anfangs misstrauisch beäugt wurde. Oi-Punk, Ska-Punk, Folk-Punk - während die Szene immer weiter zersplittert, sind die Hosen froh, Instrumente und Drogenkonsum einigermaßen zu beherrschen. Passend zu ihren eingängigen Statements über Alkohol (Eisgekühlter Bommerlunder), Rassismus (Sascha, ein aufrechter Deutscher) und Fußball (Bayern) entwickelt sich ihr mitgröhl-tauglicher Stadion-Rock.
Solche musikalischen Details werden von Campino, Kuddel und Breiti nur am Rande thematisiert. Lieber geben sie in nicht-chronologischer Reihenfolge alte Lach- und Saufgeschichten zum besten, wie die Feuerlöscher-Aktion:
Da wurde eine Hotelbar von den Hosen mit reichlich Löschschaum bedeckt, um dann beim Tresen-Trinken ohne Umwege lospullern zu können. Ach, damals... Für beinharte Fans ist dieser Rückblick sicher ein Lesevergnügen. An den Charme von Rocko Schamonis Dorfpunks reicht er jedoch nicht heran. Und wer mehr über die deutsche Punk-Szene erfahren will, ist mit Teipels Verschwende Deine Jugend sowieso besser bedient.
Frank Krings
Bis zum bitteren Ende... Die Toten Hosen erzählen IHRE Geschichte. Geordnet von Bertram Job. Aktualisierte Neuausgabe. dtv, München 2006, 320 S. mit Abbildungen, 11,90 ISBN: 3423208910