GESCHICHTE
Krach um Karl Die Neuen Historiker um Heribert Illig sind inzwischen heillos zerstritten Dass Karl der Große nur Karl der Fiktive war, dass in unserer Geschichte, zur Karlszeit, eventuell 300 Jahre dazu erfunden wurden, haben wir schon ein paar mal erwähnt (Ultimo 22/96 / 26/99). Vor allem um den "Privatgelehrten" Heribert Illig hat sich eine Gruppe von Hobbyhistorikern gebildet, die unsere Geschichte bereinigen möchte, weil sie in unserem Kalender einen dicken Fehler vermutet. Das ist einerseits ganz schnurrig, andererseits hat die Illig-Truppe einige gute Argumente, mit denen sich auch konservative Historiker inzwischen herumschlagen müssen. Aber wie das so ist mit Visionen von Randgruppen: Illigs Truppe zerfällt, es bilden sich Nebengruppen, Fraktionen, inzwischen wurden manche Forscher ausgeschlossen, man redet nicht mehr miteinander, bezichtigt sich gegenseitig des Größenwahns, des Plagiats, der unsauberen Arbeit. Es ist recht lustig. Einer der "Abweichler" ist Uwe Topper, der jetzt ein neues Buch vorgelegt hat: in Fälschungen der Geschichte jagt er im Schweinsgalopp durch die Kulturen und Jahrhunderte, von Tacitus bis zum Buch "Esther", den frühen Kirchenvätern bis zur Tischendorf-Bibel hält er alles für gefälscht (und legt keine schlechten Beweise vor) und erschlägt den Leser mit Zitaten und exotischen Kenntnissen; die Mythologie der tadschikischen Literatur ist mir zum Beispiel im Moment nicht gegenwärtig, Topper tritt auf, als sei er damit großgeworden. Es scheint sich bei ihm um das letzte Universalgenie zu handeln (das ist kein Einwand, vielleicht ist er's). Während Illig gerade mal 297 Jahre in der Geschichte gradebiegen möchte, ist für Topper der zu berichtigende Zeitrahmen erheblich größer. Und die sich dahinter verbergende Verschwörung ebenfalls. Topper ist inzwischen ein Anhänger der "Katastrophiker", eine auch schon etwas ältere Denkschule, derzufolge kosmische Ereignisse die Menschheit derart durcheinandergeschüttelt haben, dass ihr ganz schwummrig wurde und sie sich an nichts mehr erinnern konnte. Deshalb hat die katholische Kirche in der "Rennaissance" flugs eine Geschichte erfunden (die Katastrophiker nennen das "Der große Ruck", bei Topper heißt es "Die große Aktion"), die der Menschheit eine historische Heimat gibt. Weil Topper sein Manuskript über "Die große Aktion" erst Illig anbot, der die Veröffentlichung ablehnte, erschien das Buch damals im rechtsradikalen Grabert Verlag, was Illig und seine Jünger zum Anlaß nahmen, Topper zu exkommunizieren. Topper argumentiert, er habe nichts vom Hintergrund des Grabert Verlages gewußt, es wäre ihm aber im Nachhinein auch egal; rechtsradikales Gedankengut kann man ihm (der sich peinlicherweise als "Philosemit" bezeichnet) nicht nachweisen, er sagt nur ein bißchen zu oft "deutsch". Die ganze Bande liegt sich inzwischen mit den absurdesten Vorwürfen in den Haaren (hat Illig Toppers Manuskript für 50,- DM gekauft oder waren das nur Spesen für ein warmes Abendessen?), wer im WWW auf die entsprechenden Seiten der verfeindeten Parteien klickt, braucht sich für einen Abend lang nichts anderes mehr vorzunehmen ... Mit einem leichten Grinsen denkt man an Erich von Daeniken (der im gleichen Verlag erscheint wie Illig). Der ist zwar auch bekloppt, war aber so klug, keine "Schule" zu gründen und keiner beizutreten. Als drolliger Solitär ist der lustige Erich längst zur Ruhe gekommen, seine Thesen sind vorsichtiger formuliert, seine Wissenschaftskritik ist inzwischen manchmal sogar lesbar. Anders als Illig braucht er sich nicht mit Abweichlern, Renegaten und Revisionisten herumzuschlagen. Klug, der Mann. Die Karl-Köpfer sind inzwischen vorwiegend mit sich selbst beschäftigt. Und streiten darüber, wie man Egon Friedell richtig zitiert. Gut, dass der wenigstens wirklich gelebt hat; unbestritten. Erich Sauer
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Uwe Topper: Fälschungen der Geschichte. Von Persephone bis Newtons Zeitrechnung Herbig, München 2001, 287 S., 39,90 DM |