FÄLSCHUNG
Das Garn der Geschichte
Uwe Topper schneidet uns mal eben 1000 Jahre ab
Aufmerksame Leser wissen um unseren Hang zu Abseitigem. Etwa der hübschen Idee, Karl den Großen habe es nie gegeben. Heribert Illig brachte den Gedanken in die Welt, legte erstaunlich gute Hinweise vor (es gibt ein echtes Problem in der Jahreszählung A.D., es gibt jede Menge Rätsel in den historischen Belegen) - und plötzlich wurde das Zeit-Korrigieren ein eigenes Genre unter "Spinnern". Uwe Topper ist der vermutlich radikalste unter ihnen.
Jedenfalls ist die zur Erfindung erklärte Geschichte bei ihm am längsten; mindestens 1000 Jahre soll ein Konzil um 1400 (damals zählte man noch nicht mit A.D. Jahren) zur Fälschung freigegeben haben. Erstens um die gerade wiederentdeckte heidnische Antike schön weit weg von der modernen Christenheit erscheinen zu lassen, andererseits um dem Volk einen Halt zu geben, dass nach einer grossen kosmischen Katastrophe vollig desorientiert herumkrauchte. Womöglich war's die Pest. Sagt Topper.
Wie schon in Fälschungen der Geschichte wirft er auch hier genialisch mit Rätseln aus allen europäischen Kulturen um sich, auch hier häuft er Stoff für Dutzende Seminare auf, aber eigentlich kümmert er sich nicht mehr um die Diskussion seiner Funde, präsentiert alles (auch sich selbst in Urlaubsfotos neben geheimen Tempeln), als sei alles längst erwiesen. Er erklärt aber auch sein "neues Geschichtsbild" vorweg zum "Roman", der nicht wirklichkeitsnäher als die Wissenschaft sei, aber geistige Bedürfnisse der Zeit besser befriedige. Welche, sagt er nicht. Es müssen aber irgendwie kirchenkritische sein. Bei Topper entwickeln sich monotheistischen Religionen erst ab 1350 (alter Zählung), und die katholische entsteht erst so richtig nach - und gegen - Luther.
Es kommt noch dicker. Topper ist bekennender Katastrophiker, hält Entwicklungen immer für ruckartig. Diese Denkschule ist uralt (egal wie man zählt), typischerweise evolutionskritisch und anfällig für den Gedanken, etwas oder jemand ganz grosses greife hin und wieder formend in die Welt ein. Folglich muss Topper eine Katastrophe suchen, die seine Geschichtsfälschung auslöst. Und findet keine, außer der Pest. Und jetzt dreht sich alles auf den Kopf: es gibt nicht mehr rätselhafte Befunde, die erklärt werden müssen (wieso gibt es schon früh Kirchenglocken, obwohl das Handwerk dafür erst später reif war?), sondern eine Theorie, zu der man alles passend macht. Und womöglich erfindend hinbiegt.
Topper schreibt mit der "katholischen" Geisteshaltung, die er eigentlich seinen fälschenden Kirchenvätern vorwirft. Die wollten ja auch nur einen Roman verfasssen, der ihre geistigen Bedürfnisse der Zeit befriedigte. Als Zeitkorrektor hat sich Topper damit leider, sozusagen als sein eigener Papst, selbst disqualifiziert.
WING
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