FANTASY-ESSAYS

Nach dem Ring

Fantasy-Autoren erinnern sich an »Tolkiens Zauber«

Die meisten gingen noch zur Schule - und fast alle saßen lieber vor dem TV (wo gerade die Enterprise startete) als in der Bibliothek. Aber dann kam Tolkien und nahm eine ganze Generation gefangen. 17 von denen, viele später auch hierzulande bekannte Autoren (Poul Anderson, Diane Duane, George R.R. Martin, Terry Pratchett ...), erzählen in Tolkiens Zauber, wie das passieren konnte. Und weil sie alle Schriftsteller wurden und Amerikaner sind, erwähnen sie erstaunlich viele pragmatische Einzelheiten: wie der Buchmarkt organisiert war, dass es Städte ohne Leih-Bibliothek gab, wie die erste Taschenbuchausgabe aussah, die das Urheberrecht verletzte ...
Solche Erinnerungen sind fast noch wertvoller als die vielen verschiedenen tieferen Gedanken zum Werk (ist Sauron Hitler und der Ring die Atombombe?, hat Tolkien die erste genaue Karte zu einem fiktiven Land gezeichnet?) und zur Fantasy, die nach Tolkien nie mehr die selbe sein wird. Schließlich hat nicht Tolkien sondern sein Verleger die Trilogie erfunden, schließlich wirkte der Ring weit mehr bei Laien als bei Literaturwissenschaftlern.
Michael Swanwick und Ursula K. LeGuin legen aber auch schöne Analysen vor: die große alte Dame der SF ein fast wissenschaftliches Werk über rhythmische Strukturen (hier versagt der Übersetzer: Ergänzungen zur deutschen Ausgabe wären nötig) und der Cyberpunk Michael Swanwick eine warmherzige Lektüre gerade der Schwächen des Rings.
Das deutsche Lektorat könnte besser sein (warum bat niemand etwa Hanns Kneifel oder Wolfgang Hohlbein um Beiträge, wieso sind die Bio-Daten der amerikanischen Beiträger so unsauber, ja sogar ohne Verweise auf im selben Verlag erschienene Werke?) - und das Original-Lektorat hätte allerlei Dopplungen eliminieren können (damit man die Juwelen leichter findet) und speziell den Hippie/Silmarillion-Pfad der 70er zu Tolkien stärker beachten sollen. Aber lehrreicher als ein Kino-Besuch ist dieser Band allemal.
WING
Karen Huber (Hrsg): Tolkiens Zauber. Aus dem Englischen von Michael Koseler. Heyne, München 2002, 270 S., 8.95 EU ISBN: 345386168X