SEX & LIEBE

Harte Arbeit

Adam Thirlwells schmutziger Plauder-Roman »Strategie«

Es gibt wohl wenig Romane, die mit einer kläglich gescheiterten Anal-Sex-Szene beginnen. Und noch weniger, in denen Sex derart komisch beschrieben wird. Denn einerseits ist Sex in Strategie ungeheuer wichtig, andererseits geht er ununterbrochen schief: er will mehr, ihr ist's bereits zu viel, er will von vorne, sie von hinten, er will morgen, sie jetzt - es paßt nie.
Trotzdem ist Sex der Stoff, aus dem Beziehungen gekittet werden. Moshe und Nana sind das zentrale Paar in Strategie (im Englischen viel schöner: Politics). Ein allwissender und ziemlich altkluger Erzähler ("Ich denke, Moshe wird euch gefallen. Seine Freundin heißt Nana. Ich denke, sie wird euch auch gefallen.") breitet die Geschichte vor uns aus: Moshe ist klein, dicklich und Schauspieler. Nana ist groß, blond und studiert Architektur. Moshe liebt Nana und Nana liebt Moshe.
Nana hat einen eher sachlichen Zugang zum Sex. Er fühlt sich gut an, aber er überwältigt sie nicht. Weil Nana denkt, dass sie Moshe mehr bieten muß, arangiert sie eine menage à trois mit einer eigentlich lesbischen Freundin. Die Freundin ist scharf auf Nana, Moshe ist scharf auf Nana, aber er denkt: wenn's ihr Freude macht, schlaf ich halt auch mit Anjali. So nimmt das Unglück seinen Lauf.
Thirlwell hat seinen Debut-Roman angelegt wie Sex in the City. Er quasselt ständig aus dem Hintergrund dazwischen, kommentiert seine Figuren, und wenn's nicht anders geht, schlägt er mal eben den Bogen von Oralsex zu Antonio Gramsci oder Stalin. Das ergibt einerseits eine komische Liebesgeschichte mit traurigen Helden, andererseits ein recht drastisches Buch über Sex, Politik und den Menschen allgemein: "Ich finde es faszinierend", schreibt Thirlwell, "was Menschen, die Sex nicht mögen, dem Sex antun können. Sie machen ihn rational, sie machen ihn moralisch. Oft sind gerade die, die nichts für Sex übrig haben, die Perversesten." Und dann stürzt er sich in eine lesbische Fisting-Szene, die pornographisch und komisch und traurig ist.
Die Beziehung in Strategie scheitert nicht am Sex, sondern an der Verwirrung der Gefühle. Will der andere das, was ich auch will? Thirlwells wunderbarer falscher Schlußsatz lautet: "Manchmal ist Egoismus die einzig moralische Entscheidung."
Alex Coutts
Adam Thirlwell: Strategie. Aus dem Englischen von Clara Drechsler & Harald Hellmann. S. Fischer, Frankfurt 2004, 319 S., 18,- ISBN: 3100800486