KINDERTRAUM Gemischtes Eis Pierre Szalowskis warmherziges Debüt über eine kindliche Seelenwetterlage Weihnachten ist sicher nicht schön, wenn man 11 ist und schon was ahnt. Aber es wird schöner, im Buch von Pierre Szalowski, wenn der 11jährige Held der Geschichte uns sehr gefasst von seiner ersten großen Enttäuschung erzählt. Um den Schock darüber zu verarbeiten, dass es wohl keinen Weihnachtsmann gibt, ging er los und enttäuschte Kleinere mit der Botschaft. So, zugleich knapp und einfühlsam, erträgt man später auch größeren Kitsch und richtige Tränen. Die Eltern trennen sich nämlich, eher aus Ermüdung als wegen Streit. Der Vater zieht aus und der Sohn steht traurig am Fenster. Wenn jetzt ein Eisregen käme, könnte Papa nicht aus dem Haus und alle blieben beieinander. Der Eisregen kommt natürlich, aber vorher lernen wir noch andere Menschen kennen, mit denen es nicht zum Besten steht. Einer davon erforscht die Fische des Titels und deren Schwimmbahnen bei stabiler Temperatur, zwei lieben einander, wollen das aber nicht öffentlich zugeben, weil sie Therapeut und Ex-Patient sind, eine tanzt Strip und ist nicht gerade lebenslustig. Der Eisregen entpuppt sich als Eissturm von Katastrophengröße samt Stromausfall. Die Fische verlassen ihre eingeschwommenen Bahnen, der Forscher gerät an die Tänzerin, und es wäre nicht auszuhalten, wäre der Erzählton nicht so altklug-unschuldig. Ein kleiner Trick unterstreicht Szalowskis Finesse: Er verwendet immer den letzten Satz eines Kapitels als dessen Überschrift. Das erzeugt ein seltsam schwirrendes Gefühl von Zwangsläufigkeit und leichter Hand, mit dem das Nach-Weihnachtsmärchen erst so richtig wirkt. Die Botschaft, doch bitte ein wenig netter zueinander zu sein, wäre ohne Verpackung arg fade. Das Unwetter, das alle zum Guten zusammenrauft, wäre ohne den trockenen Kindermund zu plump. Und ohne ein paar literarische Schmankerl wäre das Buch nicht auf die nötige Länge gekommen, um die nächste Kaltfront damit zu überstehen. Wing
Pierre Szalowski: Bei Kälte ändern die Fische ihre Bahnen. Aus dem Französischen von Andreas Jandl, München, C. Bertelsmann 2010, 224 S., 16,99
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