SOLDATEN

Porno für Krieger

Anthony Swofford war 1991 im Krieg und hat sich nicht amüsiert

Als Angehöriger einer US-Spezialeinheit (Scharfschützen & Aufklärung) war Anthony Swofford im zweiten Golfkrieg (das ist der von Papa Bush), und es war vor allem heiß. Monatelang hing seine Einheit in der saudi-arabischen Wüste fest und wartete auf den Kriegsbeginn und vertrieb sich die Zeit mit Schwitzen, Übungen und Weiberfantasien. Das Schwitzen war vor allem unter der Gasmaske unangenehm, die Übungen waren im Sand auch nicht so toll, aber das traurigste war, dass es in Saudi-Arabien nun wirklich keine Huren für die Soldateska gab. Denn glaubt man den Erinnerungen Swoffords, reisen Soldaten vor allem deshalb in fremde Länder, um dort fremde Frauen zu vögeln, und zwar, wie von ihm gern betont wird, "in alle Löcher".
Dabei scheint es sich beim Autor nicht einmal um einen besonders finsteren Fiesling zu handeln, er betont mehrfach, in Saudi-Arabien sowohl Homer als auch Camus gelesen zu haben, dennoch gilt sein Hauptaugenmerk den fehlenden Fick-Gelegenheiten und der Trauer seiner Kameraden, wenn sie wieder einmal erfahren, dass Freundin oder Frau daheim fremd gegangen sind; die Welt ist schlecht.
Als es ans Töten geht, hat Swofford - sympathisch ehrlich - vor allem und wortwörtlich die Hosen voll. Die abgeschlachteten Iraker tun ihm fast ein bißchen leid. Swofford weiß, dass er für die US-Konzerne und deren Vertreter (Dick Cheney war damals schon dabei) hier im Wüstensand liegt. Aber wie er am Ende schreibt: "Manche Kriege sind unvermeidlich und müssen geführt werden." - wie er das meint, erklärt er allerdings nicht.
Lehrreich und heilsam ist Jarhead im Krieg, weil es einen unverstellten Blick auf die Kriegerseele gewährt. Alle Vorurteile über Elite-Soldaten - sind keine. Soldaten sind, wenn's drauf ankommt, genau die dummen, geilen Tötungsmaschinen, für die man sie gemeinhin hält. Das stellt Swofford gleich zu Anfang in einer bemerkenswerten Passage dar: "Es geht das Gerücht, dass viele Vietnamfilme Antikriegsfilme sind mit der Botschaft, Krieg ist unmenschlich ( ...). Aber tatsächlich sind alle Vietnamfilme Kriegsfilme, ganz egal, wie die Botschaft eigentlich lautet und was Kubrick, Coppola oder Stone sagen wollen. ( ...) Wenn (Soldaten) sich diese Filme anschauen, macht es sie an, weil die magische Brutalität dieser Filme die schreckliche und widerwärtige Schönheit ihrer eigenen Kriegskunst verherrlicht. Kampf, Vergewaltigung, Krieg, Plünderung, Brand. Filmbilder von Tod und Verwüstung sind Pornografie für den Soldaten; sie reiben seinen Schwanz und kitzeln seine Eier mit der rosa Feder der Geschichte."
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Erich Sauer
Anthony Swofford: Jarhead im Krieg. Erinnerungen eines US-Marines. Aus dem Englischen von Franca Fritz und Heinrich Koop. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2003, 301 S., 19,90 ISBN: 3462033093