FAMILIE Mamas Bettgeschichte Graham Swift packt ein Familienleben in einen nächtlichen Monolog Morgen wird Vater es den Zwillingen erzählen. Morgen, eine Woche nach deren sechzehntem Geburtstag, soll das große Familiengeheimnis gelüftet werden. Schon vor Jahren haben die Eltern beschlossen, mit dieser Enthüllung bis zum 16. Geburtstag der Kinder zu warten. Und jetzt liegt Mama wach im Bett, in der Nacht vor der großen Enthüllung, die, so befürchtet sie, die Familie auseinander bringen wird, und wir hören ihre innere Stimme, die uns erzählt, wie das alles passieren konnte. Durch diesen erzählerischen Kniff macht Graham Swift, seit knapp 20 Jahren im Geschäft, aus seiner Familiengeschichte Im Labyrinth der Nacht ein Krimichen, einen halben Thriller. Denn die Geschichte der Familie Hook ist eigentlich nichts Besonderes. Die Eltern lernten sich mit 21 kennen, in den wilden 60ern in Sussex, liebten einander, gründeten eine Familie, wurden erfolgreich. Mama arbeitet in einer Kunstgalerie, Papa gehört ein Verlag für populärwissenschaftliche Publikationen. Der sanfte Plauderton - wie wir mal ein Champagnerfrühstück am Strand hatten, wie euer Vater meinen Vater kennenlernte und wer ist eigentlich Otis? - strebt dabei unheilsverkündend einem dramatischen Ende entgegen. Dieser Kniff ist etwas ärgerlich, denn was Mutter als dramatisch empfindet, stellt sich für den aufgeklärten Leser als wenig aufregend heraus. Man hätte die Geschichte der Hooks, einer freundlichen englischen Mittelstandsfamilie, auch ohne diesen Haken gern verfolgt. Weil das Buch gut beschreibt, wie das Leben in einer glücklichen, langen Bewegung an einem entlang fließen und man sich darin einrichten kann, wenn man sich aneinander festhält und alles andere ignoriert. Die vollkommene Abwesenheit von Politik und Gesellschaft ist eine der Auffälligkeiten in Swifts Geschichte. Thomas Friedrich
Graham Swift: Im Labyrinth der Nacht. Aus dem Englischen von Barbara Rojahn-Deyk. Dtv, München 2011, 318 S., 14,90
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